Speyside Way – Tag 2 – Loch Insh nach Aviemore

Nach Aviemore im Sonnenschein

[Wanderung ca. 15,5 km, leicht] [140 Höhenmeter] [28.05.2023]

Heute Morgen begrüßt mich der neue Tag mit eisiger Luft, und doch tummeln sich bereits zwei Schwimmer im See vor dem Loch Insh Outdoor Center. Diese Schotten, frieren die denn nie? Es ist erst 6 Uhr und doch steht die Sonne schon weit über dem Horizont. Zu dieser Jahreszeit wird es bereits um 4 Uhr morgens hell. Die heutige Etappe bis Aviemore ist kurz, was soll ich so früh am Morgen unternehmen? Schwimmen gehen? Nein, denn mir ist nach dem Schlüpfen aus dem warmen Schlafsack immer noch sehr, sehr kalt. Außerdem muss ich auf die Toilette, waschen und Zähne putzen erledige ich auch direkt mit.

Vor dem Waschraum treffe ich den „Dater“ von gestern, barfuß und im T-Shirt mit einer Morgenzigarette. Irgendwie klappt es mit der Dame, aber so richtig funktioniert es nicht. Ich schicke ihn zurück in die warme Kuschelecke im ausgebauten Van und erkläre ihm kurz, dass man vielleicht nicht mit der Tür ins Haus fallen sollte.

Frühstück für Champions

Nach der Morgentoilette drehe ich mit Mozart eine kurze Pinkelrunde, danach wird eingepackt. Jetzt ist mir warm. Ab acht Uhr gibt es Frühstück im Restaurant. Bis dahin sind es noch ein paar Minuten, also warte ich auf der Terrasse, genieße die Ruhe und schaue auf den See, dessen Wasser heute so ruhig ist, dass sich darin die Landschaft und die Boote spiegeln. Meine Beule an der Stirn ist dick geworden, die Haut spannt und ich spüre ein leichtes Pochen. Zum Glück musste ich mich nicht übergeben, also keine Gehirnerschütterung, mein Schädel scheint einiges auszuhalten.

Habe ich gestern schon erwähnt, dass meine Wandersocken am Zeh ein großes Loch haben? Das ist mir noch nie passiert, deshalb ist auch kein Ersatz im Rucksack. Der freiliegende dicke Zeh nervt, also raus aus den Dingern und rein in meine dicken Schlafsocken und später in Aviemore Socken kaufen.

Endlich geht die Tür auf und es gibt ein ausgiebiges englisches Frühstück. Mozart bekommt den Speck und ich den Rest. Besonders lecker sind die dreieckigen Kartoffelpuffer, die „hash browns“.

Auf nach Aviemore

Den Kilometer bis Kincraig legen wir auf einem neu angelegten Wanderweg mit mindestens vier Bänken, manche mit Tisch, zurück. Mindestens vier, denn ich habe nicht von Anfang an mitgezählt. Liebe Leser:innen, falls ihr das mal nachzählen könnt?

Vor Kincraig überqueren wir den Fluss Spey, es ist still und ruhig in dem kleinen Städtchen. Das Postoffice Café hat geschlossen, nur gut, dass ich im Outdoor-Center etwas gegessen habe, denn ein Tendmeals-Frühstück hatte ich für heute Morgen nicht eingeplant. An dieser Stelle sollte ich kurz erwähnen, dass ich für Frühstück und Abendessen nicht ausschließlich Trockenfutter eingeplant habe, sondern nur dann, wenn ich bei der Planung (Excel-Datei) keine Möglichkeit zum Einkaufen oder Essen gehen finden konnte. Auf der anderen Straßenseite steht ein roter Briefkasten, der an sich schon charmant ist. Dazu noch die Häckelmütze und die Babypuppen, auf sowas kommen nur die Briten.

Immer am Fluss entlang, dahinter die Hühgel

Nach einem kurzen Fußmarsch durch Kincraig nehmen wir den Riverside Walk, der etwas näher und oberhalb des Ufers verläuft. Auf und ab, ein wunderschöner hügeliger Weg oberhalb des Flusses Spey! An einer besonders schönen Stelle mit einer Bank und einer Gedenktafel mache ich eine kurze Trink- und Fotopause. Kann mal jemand zählen, wie viele Bänke es in Schottland gibt, die KEINE Gedenktafel haben? Ich mag die Inschriften und lese immer die Widmungen über die Personen, oft weil sie diese Orte besonders geliebt haben. Besser als jeder Grabstein.

Anschließend beginnt der Abschnitt parallel und mal mehr, mal weniger nah an der Bahnlinie bis Aviemore. Das Teilstück, das der Schweizer Wanderer gestern so schön fand. Feiner, heller Kies, manchmal loser Untergrund und breit genug für 1 Person mit Hund. Schnurgerade bis zum riesigen Dalraddy Holiday Park, mit Blick auf Kuhweiden und die niedrigen Ausläufer des Cairngorms National Park im Hintergrund. Auf einem Hügel, Torr Alvie, steht ein Denkmal, das mich bei näherem Hinsehen an den alten Duke of Sutherland erinnert, bzw. an sein Monument das über Golspie tront. Später habe ich recherchiert, handelt es sich um den Herzog von Gordon, gestorben 1836.

Blauer Himmel, Stille und Krach

Die Stille wird immer wieder unterbrochen vom Lärm einiger Quadfahrer, die eine lange Staubwolke hinter sich herziehen. Der Letzte in der Gruppe schluckt den meisten Staub. Wem das gefällt! Sicher denkt sich auch jemand seinen Teil zu der grauhaarigen, älteren Frau, die einen großen Rucksack durch die Gegend schleppt. Wem das gefällt!

Nach der Überquerung eines kleinen Flusses verschwindet die Ferne und wir wandern durch eine lichte Heidelandschaft, gesäumt von Birken und anderen Baumarten, teilweise mit grauem Moos bewachsen. Blaubeeren überall, leider noch nicht reif.

Es wird immer wärmer, oder besser gesagt, die Sonne sticht vom wolkenlosen Himmel. Mozart braucht dringend eine Wasserpause und ich muss meine Wanderschuhe lockern, weil meine Füße in den dicken Schlafsocken immer mehr anschwellen. Was ist los in Schottland? Kein feuchter Boden, kein Regen, keine schattenspendenden Wolken?

Willkommen in Aviemore

Noch einmal wird die Stille unterbrochen, diesmal durch den dröhnenden Express-Liner. Kurz darauf erreichen wir ein Schild: „Welcome to Aviemore“. Willkommen im Lärm und Verkehr, immer entlang der Durchgangsstraße. Zweimal bin ich hier schon mit dem Auto durchgefahren, und jedes Mal hat mir die Stadt nicht gefallen, diesmal noch weniger. Jammern hilft nicht, wir müssen im wahrsten Sinne des Wortes hindurch. Kurz vor dem Bahnhof wird es auch auf den Gehsteigen immer voller, Mozart mag das gar nicht.

Da, ein Outdoorladen. Rein und schnell Socken kaufen. Jetzt nur noch in den Supermarkt und für mein Abendessen und Frühstück einkaufen. Auch bei Tesco ist viel los, Mozart kann ich nirgends anbinden, absolut aussichtslos. Mein Durst nach Limonade wird unerträglich, also steuere ich das nächste hundefreundliche Café an, bestelle eine eiskalte Zitronenlimonade und checke die Einkaufsmöglichkeiten auf Google Maps, nichts!

Gestresst und genervt, aber immerhin ohne quälenden Durst machen wir uns auf die letzten 3 km entlang der Straße zum Oakwood Camping nördlich der Stadt. Schade, dass der Speyside Way nicht um Aviemore herumführt. Kurz bevor sich der Wanderweg etwas von der Straße entfernt, sehe ich einen kleinen Minimarkt. Gesunde, nahrhafte Sachen gibt es dort kaum, aber immerhin landen Milch, 2 Äpfel und ein Schokoriegel in meinem Rucksack.

Der letzte Kilometer verläuft auf einem schmalen Feldweg, etwas abseits der Straße, damit habe ich nicht gerechnet, umso mehr freue ich mich und das Laufen macht wieder Spaß.

Eichen am Oakwood Camping

Der Eingang zum Oakwood Campingplatz ist großzügig und wirkt mit seinen mächtigen Eichen irgendwie majestätisch. Nach einer freundlichen Begrüßung werden wir zu einem kleinen Bereich geführt, den wir ganz für uns allein haben. Hund sei Dank. Nebenan, hinter ein paar Bäumen, stehen die Zelte der Zweiradfahrer im Schatten der Eichen. Das ist gut organisiert, so kommen sich die unterschiedlichen Interessen nicht in die Quere.

Mozart ist mit der Campingleine, einem Seil mit Karabinerhaken, angeleint, damit ich in Ruhe mein Zelt aufbauen kann. Aber was macht mein Hund? Er springt in einen sumpfigen Bach, um sich abzukühlen. „Matschepampe“ würden meine Enkelkinder jetzt sagen, und damit ist der ganze Hund verdreckt. Egal, ich muss sowieso Wasser holen, danach schnappe ich mir das kleine Mikrofasertuch für den Hund und schrubbe ihn ab. Danach können wir uns endlich für eine kleine Siesta ins Zelt legen und uns erholen.

Die Suche nach einem Abendesses

Der Abend bricht an. Im Rucksack habe ich noch die Tütenmalzeit von gestern, aber in der Nähe von frischer Nahrung habe ich darauf wenig Appetit. Neben der Registrierung steht ein silberner Imbisswagen, meine Hoffnung auf ein leckeres Abendessen. Leider geschlossen. Dann eben Fish and Chips bei “The Chippy” am nördlichen Stadtrand von Aviemore, Google sei Dank, und so bekommt auch Mozart noch einen kleinen Abendspaziergang. Kleiner Tipp, nebenan gibt es auch einen Co-op, die eindeutig bessere Alternative zu Tesco.

Mit der heißen Pappschachtel in der Hand suche ich mir ein Stück grüne Wiese, von denen es in diesem Wohngebiet genug gibt, und esse meinen Hamock und eine Handvoll Pommes. Noch ein Tipp, unbedingt Essig dazu bestellen, sonst sind die Pommes fad. Mozart bekommt auch ein Stück vom Fisch ab, denn er rührt sein Futter mal wieder kaum an.

Zurück am Campingplatz sitze ich bis zum Sonnenuntergang auf den Bänken und schreibe diese Zeilen. Jetzt wird es kalt, meine Finger frieren ab, gute Nacht.

GPS Daten von Kincraig (Loch Insh Watersports) nach Aviemore

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