Speyside Way – Tag 3 – Aviemore nach Nethy Bridge

Ein perfekter Tag bis Nethy Bridge

[Wanderung ca. 17,8 km, mittel] [130 Höhenmeter] [29.05.2023]

Diese Nacht war es kalt, sehr kalt!  In meinem kuscheligen Quilt habe ich davon zwar nichts gemerkt, aber um den Kopf herum war alles feucht und nass. Das war wohl mein verdampfter Atem, denn Kondenswasser ist nicht auf uns herabgetropft. Das Zelt ist wirklich genial, denn obwohl es nur einwandig ist, läuft die Feuchtigkeit an den Seiten herunter und kann durch einen schmalen Schlitz aus Netz nach draußen abtropfen. Mit dem Mikrofasertuch entferne ich die letzten Reste vom inneren Zeltdach. Nethy Bridge wartet, also raus und ab in die Waschräume, mit Quilt und Hund. Noch ist es still und ruhig auf dem Platz, kein Wunder, es ist erst 6 Uhr.

Ein Blick in den Spiegel, autsch! Mein linkes Auge ist nicht vom Schlaf verklebt, sondern ein zugequollenes blaues Auge schaut mich an. Auch das werde ich überleben. Mit dem Handtrockner jage ich einige Warmluftrunden durch die feuchte Oberkante meines Quilts. Wieder draußen drapiere ich meinen Quilt über einen Zaun in die langsam über den Bäumen aufgehende Sonne. Nach dem Zeltabbau landen auch Zelt und Groundshield zum Trocknen neben dem Quilt. Eigentlich wollte ich früh nach Nethy Bridge aufbrechen, aber so koche ich mir in aller Ruhe an einem Tisch etwas Wasser für meinen Tüten-Espresso.

Beginne den Tag mit einem süßen Frühstück

Um halb acht ist alles trocken und verpackt und ich mache mich auf den Weg zu meinem geplanten Frühstück im Route 7 Café, nur wenige Meter vom Speyside Way im Norden von Aviemore entfernt. Glück gehabt, denn Google hat gelogen, das Café in einem Outdoor-Shop öffnet nicht um 7, sondern erst um 8 Uhr. Um diese Zeit auch nur als „Take away“, aber egal, draußen vor dem Laden stehen Tische und Bänke, perfekt, um meine süßen Pancakes mit Speck und Obst zu essen. Wer hat den Speck bekommen? Der Hund!

Zurück auf dem Speyside Way sind wir noch früh genug unterwegs, um dem Ansturm der Radfahrer auf der Route 7, die hier auf dem Speyside Way verläuft, zu entkommen. So haben wir den zunächst schattigen Weg zwischen Birkenhainen fast für uns allein. Nur eine Schulklasse tobt durchs Unterholz und ein Handvoll Spaziergänger führen ihre Hunde aus.

Nach einiger Zeit wird es immer sonniger, der Birkenwald geht in einen Kiefernwald über und wird von einem breiten Streifen Heide gesäumt. Wie gestern brennt die Sonne ununterbrochen vom wolkenlosen Himmel und wir schwitzen. Wirklich warm ist es nicht, das merkt man im Schatten, dort ist die Luft gleich ein paar Grad kühler. Deshalb sind wir froh, als es wieder etwas waldiger wird.

Kein Boot, sondern eine dampfende Eisenbahn.

Am nördlichen Stadtrand von Boat of Garden erreichen wir eine lange und breite Promenade, gesäumt von prächtigen, großen Villen mit imposanten Vorgärten. Am Bahnhof angekommen, will ich nur noch eiskalte Zitronenlimonade und Schatten, und so sitze ich nun im Boat Hotel, oder besser gesagt davor, unter einem Sonnenschirm im Schatten, kühle mich langsam ab und beginne zu schreiben. Was für ein Leben! Ist das wundervoll!

Das Hotel liegt direkt neben einem kleinen Bahnhof, wo vor wenigen Minuten der Strathspey Steam Dampfzug mit einem kräftigen TschTsch eingefahren ist. Leider konnte ich nur einen kurzen Blick auf die Dampflokomotive erhaschen, schade! Erinnerungen an letztes Jahr auf dem Great Glen Way werden wach, als der Harry Potter Zug direkt vor unserer Nase über die Brücke bei Neptune’s Staircaise fuhr.

Zwei alte Männer auf einer Radtour.

Nach der schattigen Rast geht es noch ein Stück an der Straße entlang und über eine Brücke des Flusses Spey. Zwei Radfahrer halten an und fragen nach meinem Ziel. Der Akzent ist deutsch, es sind 2 Herren über 70, die mit ihrem Fahrrad, kein E-Bike, eine mehrwöchige Tour durch Schottland machen. Respekt! Dennoch ärgere ich mich in solchen Momenten immer über meine maximal 2 Wochen Freizeit am Stück, denn ich habe nur 2 Möglichkeiten. So lange wie möglich arbeiten und eine neue Heizung einbauen oder in Rente gehen und zu Hause bleiben und frieren.

Nein, darüber will ich jetzt nicht philosophieren, bringt eh nichts, außerdem wartet einer der traumhaftesten Abschnitte des gesamten Speyside Way auf mich. Der Abernethy Forest, mit 4000 Hektar das größte verbliebene Stück des alten kaledonischen Pinienwaldes.

Waldbaden in seiner ursprünglichsten Form.

Doch zunächst durchqueren wir ein Gebiet mit Waldkiefern, Birken und Ebereschen, mit lichten, gras- und moosbewachsenem Waldboden und einem verträumten kleinen Moorsee.

Ein lebendiger Wald, was für ein Kontrast zu den dunklen, in Reih und Glied gepflanzten Kiefernwäldern des Sauerlandes. Je höher wir kommen, desto mehr wandern wir zwischen Heidekraut, Wacholder, Heidelbeeren und unter kaledonischen Pinien hindurch. Ein leicht harziger Geruch steigt in die Nase. Ab und zu ertönt der Ruf eines Auerhahns, sonst ist es still. Insekten schwirren in Massen durch die Luft. Hier muss ich eine Pause einlegen, wir verlassen den Weg und legen uns mitten in dieses Wunder. Atmen, riechen, fühlen, das ist echtes Waldbaden. Zusammen mit dem herrlichen Wetter ist das im Nachhinein der schönste Moment auf dem ganzen Speyside Way.

Willkommen in Nethy Bridge

Kurz bevor wir in Nethy Bridge ankommen, machen wir eine Pause an einem Rastplatz, damit Mozart sich im Duak Burn abkühlen kann.

Jetzt sitze ich auf der Terrasse des Nethy Bridge Cafés mit einer Tasse Tee und einem leeren Teller, auf dem vor kurzem noch ein leckerer Karottenkuchen lag. Das war mein Dessert, davor gab es ein leckeres Wurstbrötchen mit Quinoasalat. Woher nehme ich nur den Appetit?

Hier im Café habe ich im Voraus ein Zimmer gebucht, da ich im Naturschutzgebiet nicht zelten mag. Das ist so ein Grundprinzip, keine Wildtiere stören, nachts ist das ihr Reich. Das Zimmer hat ein riesiges Doppelbett, ist ebenerdig und barrierefrei, mit eigenem Ausgang zur Straße. Die Tür nach draußen hat keine Klinke, sondern einen breiten Hebel, den man nach unten drücken muss. Mozart hat genau gesehen, wie das geht. Houdini ist vorbereitet, aber ich habe schon eine Lösung. Das Zelt zwischen Tür und Hebel klemmen. So gesichert gönnen wir uns eine Stunde Siesta und Ruhe. Anschliessend gehe ich zum Abernethy Information Center, aber das hat bereits geschlossen, nur der Zugang zu den Toiletten ist noch offen, natürlich barrierefrei!

Ein perfekter Abschluss des Tages.

Wir schlendern den Nethy River entlang, hüpfen von Stein zu Stein und Mozart legt sich immer wieder zur Abkühlung ins Wasser. Gegenüber der Brücke steht ein Fish and Chips-Wagen, aber der kann mich heute nicht verführen, ich bin noch satt vom leckeren Essen im Café. Eigentlich war ein Spaziergang zur Burg Roy geplant, aber auf der Straße ist mir zu viel Verkehr und so genießen wir den Abend im öffentlichen Park gegenüber dem Nethy Bridge Hotel.

Ich mag diesen Ort sehr. Es ist klein, überschaubar, etwas verschlafen, hat ein Hotel, ein Café, einen Park und einen kleinen Lebensmittelladen. Die Atmosphäre im Cafè ist liebevoll zusammengewürfelt aus alten Möbeln, Tellern und Teekannen. Schöne Bilder an den Wänden und Kunsthandwerk zum Verkauf.  Der fantastische Abernethy Forest ist ganz in der Nähe, es gibt kaum Touristen wie in Aviemore, wunderschöne kleine Spazier- und Wanderwege, von denen einige sogar als barrierefrei gekennzeichnet sind.

Ich mag Nethy Bridge und schlafe schnell ein.

GPS Daten von Aviemore nach Nethy Bridge

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