Auf dem Rob Roy Way im Nebel bis Kenmore – Tag 9

Im mystischen Morgennebel bis Kenmore

[Wanderung ca. 17 km, mittel] [ca. 120 Höhenmeter] [21.10.2019]

Es war verdammt kalt heute Nacht, auch heute Morgen ist es noch eisig, sogar das Zelt hat außen Frost angesetzt. Die Ruhe und Stille auf den vom Tau und Kälte weißen Wiesen wird nur vom tosenden Wasser des Newton Burn gestört. Schnell einen heißen Tee kochen und sich bewegen, also Zelt abbauen und zusammenpacken. Heute geht es bis Kenmore.

Noch während ich vor dem Aufbruch meinen Tee schlürfe und unseren Müll und sonstige Hinterlassenschaften wegräume, füllt sich die Straße mit Autos. Kinder steigen aus, begrüßen sich und stehen mit ihren warmen Jacken und Wollmützen in Gruppen beisammen. Das scheint der Versammlungsort für die Schulkinder zu sein, die auf den Bus warten, der auch bald eintrifft. Nachdem alle Kinder verladen wurden, entfernen sich eins nach dem anderen auch die Mütter oder Väter mit ihren Fahrzeugen und es ist wieder Stille.

Mich zieht es auch auf die Straße, der Tee verbleibt in der Isolierkanne und der halbe, nicht gegessene Scone wandern wieder in den Metallbehälter. Als wir endlich wieder auf der Single Road in Richtung Kenmore stehen sind meine Hände eingefroren.

Through the fog

Wir passieren die Dall Farm und jetzt merke ich erst wie krass nebelig es ist, aber gerade deshalb hat die Umgebung einen unwirklichen Reiz. Über Loch Tay ist die Brühe besonders dicht, man sieht ihn nicht! Auch die Hügel rechts von uns sind tief bis auf die unteren Weiden in diese weiße Suppe getaucht. Die Bäume am Ufer sehen aus wie mit einem Weichzeichner unscharf maskiert. Hin und wieder treffen wir auf Schafe, die schnell vor uns weglaufen.

 

Zum Glück kommen uns nur sehr selten Autos entgegen, vielleicht 4-5 bis wir Acham erreichen. Eines hält an und eine nette Lady fragt freundlich nach unserem Weg.

Irgendwann taucht aus dem Nebel ab und zu die Sonne auf und erhellt die Hügel, hinter denen sie aufgeht ein wenig, dringt aber nicht bis zu uns vor. Je höher die Sonne steigt, desto mehr durchbricht sie den Nebel, löst ihn immer mehr auf. Eine Wanderung ins Licht.

Willkommen in Perth and Kinross

Teils wird die Straße zur Allee, dahinter meist Weiden. Wir passieren die Grenze zu Perth and Kinross und der Himmel über uns ist bereits blau. Meine Nasenspitze ist immer noch eingefroren, aber hin und wieder erwischen mich ein paar Sonnenstrahlen und wärmen sie auf. Ab und zu flattert ein Perlhuhn erschrocken aus der Vegetation am Straßenrand auf und macht dieses typische Kreisch Geräusch, man zuckt jedes Mal zusammen.

Ein netter alter Schäfer

Vor Ardtalnaig kommen wir an einem kleinen Friedhof vorbei, verwitterte Grabsteine inklusive, und genau jetzt treffen die Sonnenstrahlen das gegenüberliegende Ufer und der Blick auf Loch Tay wird wieder frei. Um die Hügel dahinter wabert weiterhin der Nebel. Mitten im Ort steht eine rote Telefonzelle, rein als Deko, wie ich von einem wettergegerbten älteren Mann erfahre, der uns mit seinen zwei Hunden entgegenkommt.

Mozart freut sich wie verrückt und macht Bekanntschaft. So beginnt ein Gespräch über Collies, meine Wanderung und seinem Leben als Schäfer in den Hügeln da oben. Ein zufriedener Mensch, einfach und liebenswürdig. So ganz das Gegenteil der Rentner in meiner Nachbarschaft, die sich durch den Tag gammeln und im Herbst gefühlt stündlich die Kastanienblätter vor dem Haus auf die Fahrbahn pusten. Dieser Mann hier ist ein draußen Mensch, und das verbindet uns zusammen mit den Hunden für eine kurze Zeit. Ich hätte mich noch ewig mit ihm unterhalten und seine Anwesenheit genießen können, aber da wird er von einem Freund gerufen, der auf ihn wartet.

Der Nebel löst sich auf

Also gehen auch wir mit Blick auf Loch Tay und das gegenüberliegende Ufer weiter die Straße entlang. Plötzlich lichtet sich der Nebel auch über den Hügeln und das grau-weiße, undurchdringliche Band trennt nun das Ufer von den Höhenzügen.

Immer häufiger flattern Perlhühner auf, ich sehe auch einige tote Kameraden in den Zäunen hängen. Beidseitig der Straße tauchen jetzt Luxusvillen auf, richtige Architektur. Was für ein Kontrast gegenüber den schlichten, meist einstöckigen Farmhäusern. Wer hier nicht von Geburt an Grund besitz, der muss sicher eine Menge Schotter bezahlen für ein Plätzchen am Loch.

Der Nebel hat sich völlig aufgelöst, als wir uns Acham nähern, die Herbstfarben leuchten in der Sonne, Licht und Schatten wechseln sich ab.

Zu Hause bei Miss Marple

Am Ortseingang von Acham stolpere ich regelrecht über ein Steinhäuschen wie aus einem englischen Krimi, davor hängt ein B&B Schild und darunter baumelt Vacancies, dahinter ein farbiger Blumengarten.

In den folgenden Minuten denke ich nicht, sondern handle. Nämlich an der Tür klopfen und die ältere Dame, die mit ihren weißgrauen Haaren aussieht wie Miss Marple fragen ob Hunde erlaubt sind. Hunde sind willkommen und sie nennt mir den Preis mit Frühstück (35 Pfund), aber der ist mir sowas von Egal, meine Entscheidung ist bereits gefallen. Ich will hierbleiben, auch ohne das Zimmer im ersten Stock zu besichtigen, weil ich bereits in diesem Film angekommen bin. Das Zimmer, das Bad, die Einrichtung, das ganze Cottage und Miss Marple, alles fügte sich zu einer Geschichte.

Da das Haugh Cottage keine Webseite hat, ergänze ich hier die Kontaktinformationen:

Bed and Breakfast
Mrs. Nicole
Haugh Cottage
Acharn by Aberfeldy
Perthshire
PH15 2HS

Tel: 0044-1887-830463

Mein nasses, in der Zwischenzeit aufgetautes Zelt durfte ich im Garten aufhängen und nach einer kurzen Tee Pause sind wir wieder auf der Straße mit einem sehr leichten Rucksack und dem Ziel Kenmore.

Next step, Falls of Acham

Der Weg biegt direkt gegenüber vom Cottage von der Straße ab und steigt steil bergan zu den Falls of Acham, den man schon früh in der Ferne hinter den Bäumen des Wäldchens tosen und brausen hört. Wir folgen dem Schild zur Hermit’s Cave, einem verrückten Bau des 3rd Earl of Breadalbane so um 1760 rum. Die müssen echt Langeweile gehabt haben die Earls! Der Bau ist heute eine Plattform, um den Wasserfall zu betrachten, aber das Ding war wohl einmal ein richtiges Zimmer mit Ausblick.

Zurück auf dem Weg folgt nach ein paar Metern wieder ein Schild mit Verweis auf den Wasserfall, erneut ein spektakulärer Anblick.

Eine unheimliche Begegnung und eine Flucht

Weiter geht es und bald treffen wir auf ein Gatter zu einer Weide. Vereinzelt sehen wir Schafe und Mozart ist Begeistert.

Als ich das andere Ende der Weide mit dem nächsten Gatter in der Ferne sehe, sehe ich auch so um die 20-30 Kühe, die alle davorstehen. Bisher ging das mit den Kühen ja alles gut, also warum nicht auch dieses Mal? Doch als wir näher herankommen und ich die Kühe besser sehen kann, blicken sie ziemlich unfreundlich zu uns. Das ist ungewöhnlich, denn bisher wurden wir immer ignoriert, aber hier kommen tatsächlich einige von denen auf uns zu! Nix wie weg, hier ist was faul! Rückzug, erst langsam, dann laufend. Zum Glück ist der Rucksack leicht.

Als wir fast das Gatter wieder erreichen, kommt uns der Farmer auf seinem Quad mit Hund entgegen. Ich frage ihn nach den Kühen, und warum die so drauf sind. Die Antwort erklärt alles, denn man hat den Kühen heute Morgen die Kälber weggenommen, deshalb können sie gerade unberechenbar sein, und deshalb stehen sie auch alle dort am Ausgang, weil die Kälbchen dort weggefahren wurden.

Wieder etwas gelernt über Kühe. Haben sie Kälbchen dann muss man vorsichtig sein, wurden sie ihnen gerade weggenommen, muss man auch vorsichtig sein.

Dann doch über die Straße

Dann gehen wir gehen eben über die Straße nach Kenmore, das Schicksal wollte es so, es wollte auch dass wir wegrennen konnten. Noch etwas Positives, denn ohne unseren Rückzug hätten wir nicht den schönen Waldweg auf der anderen Seite der Wasserfälle erleben dürfen. Mit Blick auf die Falls unter bunten Blättern im sanften Licht der Herbstsonne,  führt der Weg uns wieder hinunter nach Acham.

Scottish Crannog Center

Leider ist die Straße nun belebter als vor Acham, und trotzdem ist der Abschnitt bis Kenmore nicht unschön, immerhin hat man ständig den tollen Blick auf Loch Tay. Wir kommen am Scottish Crannog Center vorbei. Crannogs sind auf Pfählen gebaute Rundhäuser am See.

Leider darf man mit Hund nicht rein, aber ich informiere mich und erfahre, dass Crannogs seit der Eisenzeit gebaut wurden und bis in das 17. Jahrhundert erbaut und bewohnt wurden. Jetzt klingelt es in meinem Kopf, darüber habe ich vor Jahren in einem Buch über die Geschichte Schottlands bereits etwas gelesen. Hier am Loch Tay wurde ein 2600 Jahre altes Crannog restauriert, daneben werden alte handwerkliche Techniken wir spinnen und weben, Mehl mahlen und Feuer machen gezeigt.

Ankunft in Kenmore und Besuch im Hotel Pub

Kenmore erreichen wir mit dem Ende von Loch Tay, oder ist das der Anfang? Auf jeden Fall müssen wir an einem langen Strand mit Blick auf das Städtchen entlang wandern.

Ich bekomme Hunger und so schreiten wir in den Pub vom Kenmore Hotel und ich bestelle Tee und einen Burger. Menschen kommen und gehen, auch mit Hunden, und ich kann mal ganz gemütlich mein Tagebuch füllen.

Bevor wir Pub und Hotel verlassen, frage ich an der Rezeption nach einer hundefreundlichen, nicht im Zentrum und Bahnhofsnah gelegenen Unterkunft in Pitlochry. Der nette junge Mann  an der Anmeldung mit Namen Michael wird nun richtig geschäftig und telefoniert und recherchiert im Internet. Er empfiehlt mir das Port na Craigh Inn und Restaurant. Sagen wir mal untertrieben, es ist nicht billig. Was mich reizt ist die Lage, der Name und ich habe noch nie in einem Inn übernachtet, dazu kommt noch das ausgezeichnetes Restaurant für mein Abschlussabendessen. Das gönne ich mir zum Ausklang dieser Wanderung. Sicher haben die auch eine Badewanne für mich!

Dämmerung über dem Loch Tay

Als wir das Hotel verlassen ist es schon spät, und ich hatte total vergessen das Taymouth Castle zu besichtigen und in dem kleinen Supermarkt einzukaufen, verdammt. Da habe ich doch die Zeit im Pub vertrödelt, so vertieft war ich in meine Schreiberei. Es beginnt auch schon bald zu dämmern, es wäre nicht gut an der Straße im Dunkeln, also gehen wir zügig zurück zu unserem B&B in Acham.

Im Cottage angekommen höre ich Geräusche aus dem Wohnzimmer hinter der Treppe und möchte Bescheid geben, dass wir zurück sind. Heraus kommt unsere Wirtin, die anscheinend beim Frisör war, denn ihre Haare sind viel kürzer. Wir vereinbaren das Frühstück um 7 Uhr, da sowohl sie als auch ich am nächsten Morgen um 8 Uhr das Haus verlassen wollen.

Noch schnell unter die Dusche und dann im Bett etwas Tagebuch schreiben, dazu Tee trinken und Mozart kraulen. Ich genieße die Atmosphäre des Hauses und schlafe in meinem weichen Bett ein.

Komoot

Wir sind an diesem Tag in Ardeonaig gestartet und haben in Acharn übernachtet. Da die Etappen aber vorab geplant waren, habe ich die Aufzeichnung nur unterbrochen und am nächsten Tag fortgeführt.

2 Antworten auf „Auf dem Rob Roy Way im Nebel bis Kenmore – Tag 9“

    1. September solllte kein Problem sein, falls es nict zu einer zweiten Welle kommt. Ich habe die Info, dass Unterkünfte ab dem 15.07.2020 wieder öffnen.

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