Auf dem Rob Roy Way über Aberfeldy bis Strathtay – Tag 10

Ein langer Tag mit vielen Eindrücken

[Wanderung ca. 25 km ] [ca. 600 Höhenmeter] [22.10.2019]

Am Morgen wird das Geheimnis um den Haarschnitt meiner Gastgeberin gelüftet. Es sind Zwillinge! In der Küche bekomme ich ein Frühstück für Champions. Rührei, gegrillte Tomaten und Champignons, Bacon und Toast, dazu alle möglichen Sorten von Müsli und Cornflakes, Marmelade, Honig, alles was das Herz begehrt. Am besten waren die gegrillten Tomaten frisch aus dem Backofen. Mozart durfte mit in die Küche, da er oben rumgejault hat, und so drehte sich das Gespräch mit dem Bruder wieder einmal um Hunde, unsere Wanderung, das heute auf dem Weg liegende Aberfeldy und das Wetter.

In der Nacht war es wieder sehr kalt gewesen, der Tag ist grau, aber ohne Regen. Ich verlasse das gemütliche Cottage und meine Gastgeber steigen in ein Auto, um in Perth shoppen zu gehen. Ich winke dem Fahrzeug hinterher und wir folgen wieder der Straße in Richtung Kenmore. Nein, ich gehe nicht noch einmal hinauf zu den Falls of Acharn und über die Kuhweide, verpeile es aber dummerweise den alternativen Aufstieg zum Queen’s Drive vor Kenmore zu finden. Dann nehmen wir halt den Zustieg in Kenmore, vorbei an Wohnhäusern, über Serpentinen, bis wir wieder auf den Rob Roy Way stoßen.

Unter uns liegt Taymore Castle und River Tay

Wir erreichen ein Cottage, biegen links davor ab, gehen ein Stück geradeaus, um dann wieder rechts abzubiegen um auf ein riesiges Hinweisschild des Rob Roy Way zu stoßen, das den Weg über die Wiese weist. Hier scheint wohl so mancher Wanderer geradeaus in die Einfahrt zu dem Privatgrundstück gelaufen zu sein.

Immer wieder lohnt sich ein Blick zurück auf Kenmore und Loch Tay, und so erhasche ich auch ab und zu einen Blick auf Taymouth Castle.

Der gesamte Weg bis Aberfeldy führt oberhalb des River Tay und unterhalb der Hills entlang. Mal über Weiden mit Schafen, mal durch den Wald, dessen Forstwege teilweise von einem Harvester oder anderen schweren Fahrzeugen völlig zerfleddert wurde. Die frei gelegte braune Erde erscheint mir wie große Wunden, es ist sehr bedrückend und erinnert mich stark an die abgeholzten, kaputten Tannenwälder im Sauerland. Einziger Unterschied, hier sind die Tannen weder vertrocknet, noch vom Borkenkäfer ermordet worden.

Scottish Pines, Schafe und eine herrliche Aussicht

Als wir uns Aberfeldy nähern und der Blick über die Landschaft gleiten kann, wird mir bewußt, dass ich mein blaues Monster auf dem Rücken kaum noch wahrnehme. Freude kommt auf, auch weil am Wegesrand immer wieder vereinzelt Scottish Pines stehen und wir erneut den Schafen begegnen.

Birks of Aberfeldy und Falls of Moness

Kurz vor Aberfeldy wandern wir durch einen herbstlichen, gelben Birkenwald noch einmal ein Stück bergauf zu den Wasserfällen, den Falls of Moness. Wir sind in den Birks of Aberfeldy, so steht es auf jeden Fall auf einem Schild, und begegnen unaufhörlich Menschen, die hier spazieren gehen.

Es geht über viele Brücken mit darunter tosendem Wasser und immer wieder tauchen kleine Wasserfälle an den Flanken auf. Am Schönsten sind aber die Farben des bunten Herbstwaldes in allen Schattierungen von gelb, über rot zu grün und den bereits braunen Blättern auf dem Boden. Geländer schützen den Wanderer vor einem Absturz in den Abgrund. Ein toller Weg für Kinder.

Unten angelangt treffen wir auf eine Statue von Robert Burns und später auch auf eine Hinweistafel mit Infos zu Burns und seinen, von dem Ort inspirierten Schriften. Er war bestimmt im Herbst hier!

Mittagspause in Aberfoyle

Aberfoyle ist ein geschäftiges Städtchen, aber der Tourismus scheint sich auf die Sehenswürdigkeiten zu beschränken. Die Straßen sind hauptsächlich bevölkert von Schulkindern, es gibt kleine, hübsche Geschäfte, aber kaum Andenkenläden und Nippes wie in Pitlochry.

Ich habe Hunger, will aber nicht den Kocher anwerfen oder etwas Kaltes essen, da sehe ich an einem Platz ein Schild zu einem persischen Restaurant, in dem Hunde willkommen sind. Checkers Restaurant.

Meine Klamotten sind nicht gerade sauber und geruchsneutral, also frage ich vorsichtig ob das ok ist. Ja ist es! In dem winzigen Raum sitzt eine Frauengruppe an aneinander geschobenen Tischen und ich bekomme einen kleinen Platz in der Ecke. Das Essen kommt zügig und ist großartig. Zum Abschluss bestelle ich mir noch einen Kaffee und schreibe in mein Tagebuch.

Es kommt zu einem Gespräch mit dem Kellner und Besitzer, der aus dem Irak kommt und am Loch Tay wohnt. Auf der Seite mit der Hauptstraße, nicht auf „meiner“ geliebten, einsamen Seite, die wir gestern noch entlang gegangen sind. Im Winter, wenn das Restaurant geschlossen ist, kehr er in den Irak zurück. Ich bekomme noch eine Visitenkarte, denn der Herr ist sichtlich angetan von mir und meiner Weltanschauung, nur mir wird es zu viel, und so frage ich erst gar nicht nach, ob er sein Haus im Winter vermietet und es dort anständiges Internet gibt. Der Gedanke kam aber auf, das muss ich gestehen.

Perlhühner am River Tay

Wir verlassen Aberfeldy, aber nicht ohne vorher beim Bäcker noch etwas Süßes für das morgige Frühstück gekauft zu haben. Am Ortsausgang kommt man zwangsläufig an der Aberfeldy Distillery vorbei, auf deren Wiese eine große Anzahl an Perlhühnern sitzt. Nachdem wir den Friedhof passiert haben schwenken wir endlich von der langen, geraden und lauten Hauptstraße ab und es geht auf grasigem Untergrund über einen Fußweg in Richtung River Tay.

Schon nach wenigen Schritten flattert eine Gruppe Perlhühner mit diesem typischen Kreischton vom Boden auf und flattert unbeholfen ein paar Meter weiter zur Landung. So geht das die ganze Zeit bis wir das Ufer des ruhig dahinfließenden Tay erreichen. Die komplette Wiese ist hier bevölkert mit hunderten von Perlhühnern. Auf der anderen Uferseite sieht man vereinzelt Häuser zwischendrin Bäumen und vereinzelt scheint die Sonne zwischen den Wolken hindurch. Nachmittagsstimmung. Es läuft sich herrlich leicht auf dem Grasboden.

Auf der Railway Line bis Grandtully

Nach 30 wundervollen, weichen Minuten geht es leicht aufwärts auf die alte Railway Linie und die A827 kommt hörbar nah an den Weg heran, der komplett mit Blättern bedeckt ist, wie mit einem Naturteppich. Die Sicht auf den Fluß war einmal und man geht wie durch einen oben geöffneten Tunnel. Wir treffen auf steinerne Brücken über uns und irgendwann vor unserem eigentlichen Ziel beginnen meine Füße zu brennen und heißzulaufen. An einem Rastplatz lege ich sie ein paar Minuten hoch, dann geht es wieder.

Kurz vor Grandtully habe ich wieder freie Sicht auf Landschaft und Weiden und die weißen Wolken bekommen ihre typische rosa – orange Färbung von der sich langsam am Horizont verabschiedenden Sonne. Etwas Wehmut kommt auf, denn dies ist unser letzter, richtiger Wandertag, denn morgen müssen wir nur noch kurz über einen Berg, dann sind wir bereits am Ziel.

Einkauf in Strathtay

In Grandtully erreichen wir den Zeltplatz der Scottish Canoe Association, alles leer, niemand da!  Ich baue mein Zelt an einer Sitzgelegenheit auf und wir ziehen direkt noch einmal los zum Supermarkt in Strathtay auf der anderen Seite des Flusses, den wir auf einer Metallbrücke überqueren. Ein kleines Stück die Straße hinauf und schon sind wir an dem winzigen Supermarkt.Ich kaufe Milch für den Kaffee am Morgen und eine Tafel Schokolade, denn darauf habe ich gerade mega Lust. Ein kurzer Plausch mit der netten Dame an der Kasse und schon geht es wieder zurück über die Brücke und zu unserem Zeltplatz.

ein nettes Gespräch

Die Sanitärräume sind verschlossen, aber es gibt einen Waschbereich mit Wasserhahn, was will man mehr. Für menschliche Ausscheidungen habe ich meine Kotbeutel.

Als ich gerade gemütlich meinem Abendtee schlürfe, da kommt eine nette Dame in meinem Alter auf ihrem Abendspaziergang vorbei, und wir unterhalten uns auch eine Weile. Sie ist Rentnerin und hat früher als Krankenschwester gearbeitet. Jetzt reist sie jedes Jahr zu einem meist weit entfernten Ziel auf dieser Erde.

Ich lebe im falschen Land! Meine Rente wird viel zu gering sein. Das ist so deprimierend! Nicht dass ich um die Welt fliegen möchte, davon habe ich in meinem Beruf als Designer genug gesehen, aber selbst solche Wanderungen wie diese werden finanziell nicht mehr möglich sein. Dazu kommt, dass es in den Sternen liegt, ob ich mit 67 plus noch fit genug sein werde, denn früher komme ich nicht aus der Arbeit raus. Saublöd, denn erst dann hätte ich auch die Zeit für längere Touren. Im Moment habe ich nur so 2 Wochen Urlaub am Stück, und jeder Tag mehr kostet mich als Selbstständige richtig viel Geld, weil ich dann kein Einkommen habe.

Gute Nacht auf einem einsamen, leeren Campingplatz

In der Zwischenzeit ist es schon dunkel geworden. Ich schreibe mit der Stirnlampe noch ein paar Zeilen in mein Tagebuch, dann Kuschel ich mich in meinen Quilt. Mozart liegt schon seit geraumer Zeit in seinen Quilt gehüllt und pennt.

Einschlafen kann ich aber nicht. Eine Gruppe Jugendlicher hat sich ausgerechnet den Waschraum für ein Meeting ausgesucht. Irgendwie fühle ich mich nicht zu 100% wohl und die Stimmen halten mich wach. Also beschließe ich die Tage meinerWanderung noch einmal in Gedanken zu wandern, und dabei schlafe ich dann endlich ein.

Komoot

Wir sind an diesem Tag in Acham gestartet und bis Grandtully gegangen. Die Etappenbeschreibung bis Kenmore findet man unter Tag 9.

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