John o’Groats Trail – Tag 1 – Anreise Inverness

Die lange Anreise nach Inverness

[26.04.2019]

Hier beginnt unsere Anreise zum John o’Groats Trail. Wir, das sind meine Freundin Ju und ich. Was ihr hier zu lesen bekommt ist mein Reisetagebuch, das ich während der Wanderung geschrieben hab. Viel Spaß (hoffentlich) beim Lesen.

Tag 1 – Anreise

Früh am Morgen – und voller Zweifel

4 Uhr morgens.
Ich bin allein unterwegs.
Raus aus dem Haus, rein in den Zug nach Köln. Mein Rucksack wiegt fast 14 Kilo – schwer genug, um mir Sorgen zu machen. Vor allem, weil ich ihn vorher nie wirklich getragen habe.

Den alten, kleineren hatte ich beim Probelauf auf dem Holländerweg benutzt – vollgestopft bis obenhin, keine Luft mehr für Essen oder Reserven. Also habe ich mir kurz vor der Abreise noch einen neuen gekauft. Größer, schwerer. Ungetestet. Natürlich. Nicht die vernünftigste Entscheidung – aber typisch ich.

Am Bahnsteig in Menden denke ich zum ersten Mal laut: Werde ich das wirklich schaffen? Den John o’Groats Trail.
Mich selbst. Die Last auf dem Rücken. Die vielen Tage, die vor mir liegen.
Ich bin nervös. Und trotzdem stolz.
Denn ich bin losgegangen. Und das ist der erste Schritt, der zählt.

Am Flughafen – und ein Schotte neben mir

Am Flughafen in Köln treffe ich Ju. Sie ist jung, klar, voller Lust auf Bewegung – und vermutlich ahnt sie nicht, wie groß das hier für mich ist. Kein großes Hallo, keine langen Worte. Nur dieses Wissen: Wir machen das zusammen.

Im Flugzeug sitze ich neben einem Mann aus Osnabrück. Ein Schotte – allein schon das macht mir Freude. Er erzählt uns von seinem Charity Projekt Sportler 4a childrens world. Respekt!
Er fliegt mit seinem 75-jährigen Vater nach Inverness, um gemeinsam den Great Glen Way zu gehen. Ich frage mich, wie oft sie das schon gemacht haben – Vater und Sohn. Er ist 15 Jahre älter als ich, dieser Vater – und wandert einfach los.

Zwischenspiel – In einem Café in Edinburgh

6,6 Kilometer Tagesleistung – verteilt auf Flughäfen und Kopfsteinpflaster. Edinburgh empfängt uns mit gotischem Grau, Multikulti, rauchgeschwärzten Fassaden und einer Prise British Style mit Scottish Attitude. Ich liebe diese Stadt. Lebendig. Alt. Stolz.

Der vorherige Bus nach Inverness war ausgebucht. Jetzt sitzen wir in einem kleinen Café und warten auf den nächsten. Müde vom Tag, dem frühen Aufstehen, den Rucksäcken, der ganzen Bewegung im Kopf. Die Sitze sind unbequem, aber gerade ist mir das egal.

Ich bestelle einen Latte Macchiato – aus Versehen auf Italienisch. Der Barista lacht. Ein Italiener. Seit drei Monaten lebt er hier. Er sagt, Edinburgh sei bezahlbarer als andere Städte. Und lebenswerter. Ich glaube ihm aufs Wort.

Ich denke still: Bitte lasst mich auf dem Rückweg einfach hier. Schickt mir Mozart und meinen Mac. Mehr brauch ich nicht.

Und ich?
Ich fliege auch. Mit einem Rucksack voller Fragen, Erinnerungen und Muskeltraining. Vielleicht ist das der beste Vergleich, den ich mir mitgeben kann: Es ist nie zu spät.

Im Bus – Tränen und Erinnerungen

Der Bus fährt durch das schottische Land, und ich starre aus dem Fenster, sehe grüne Weiten, Hügel, vereinzelte Schafe.
Ich habe so lange auf diesen Moment hingearbeitet – und jetzt sitze ich da und heule wie ein Schlosshund.

Nicht vor Glück. Nicht vor Angst. Sondern weil ich Blixa vermisse.
Er war mein Begleiter. Mein Seelenhund. Mein Rhythmusgeber, mein stiller Blick. Ich sehe ihn auf dem Rücksitz, auf dem Zeltplatz, am Ufer – alles in mir schreit nach ihm.

Mozart ist bei meiner Tochter, gut versorgt. Aber das ist nicht das Thema. Das Thema ist: Blixa fehlt.

Ich versuche, leise zu weinen. Ju merkt es. Fragt nicht. Legt eine Hand auf meinen Arm. Es ist ein stiller Trost – der beste, den man in diesem Moment geben kann.

Ich blicke wieder hinaus. Die Landschaft zieht vorbei, und ich atme.
Nicht weil ich will. Sondern weil ich muss.

Inverness – endlich da

Als wir in Inverness ankommen, ist es dunkel. Die Stadt wirkt still, fast ausgestorben. Kein Gewusel, kein Leben auf den Straßen – nur orangefarbenes Licht in Pfützen, ein paar einsame Gestalten, Türen, die zufallen.

Es fühlt sich nicht so an wie die große Ankunft nach einer langen Reise.
Es fühlt sich einfach nur an wie: endlich.

Der Weg zum Hostel zieht sich. Ich bin müde. Mein Rücken schmerzt. Und mein Rucksack – dieser verdammte neue Rucksack – reibt sich zäh durch meine Schultern. Ich fluche leise. Nur innerlich.

Und dann stehen wir vor der Tür. Das Hostel.
Stockwerk, Flur, Zimmer. Ich schmeiße den Rucksack aufs Bett, setze mich auf die Matratze und merke: Ich bin wirklich da.

Kein Triumphgefühl. Kein Moment, den man mit Fanfare posten würde.
Nur dieses leise, ehrliche: Ich hab’s geschafft bis hierher.

Eine Bar, ein Bier, ein stiller Abend

Später gehen wir noch in eine kleine Bar. Es ist fast leer. Ein paar Leute sitzen verteilt auf den Tischen, reden leise, trinken. Ich bestelle ein Bier, lehne mich zurück und lasse den Tag sacken.

Ein älterer Mann kommt zu uns an den Tisch, spricht uns an – freundlich, neugierig. Ein kurzes Gespräch, nichts Besonderes. Aber ich merke: Hier beginnt der andere Teil der Reise.
Die Begegnungen. Die offenen Türen. Die Menschen, die man unterwegs trifft, ohne zu wissen warum.

Morgen startet unsere erste Etappe auf dem John o’Groats Trail. Ich bin nicht sicher, ob ich bereit bin – aber ich bin hier.
Und morgen geht’s los.

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