John o’Groats Trail – Tag 3 – Dornoch, Loch Fleet to Balblair Wood

Der Tag der Robben am Loch Fleet

[Wanderung ca. 20km ,mittel] [ca. 130 Höhenmeter ] [28.04.2019]

Guten Morgen Dornoch – Kälte, Kaffee und Kilometer

Wir wachen früh auf. Die Nacht war kühl, aber unsere Quilts haben gehalten, was sie versprochen haben. Richtig warm ist es trotzdem nicht – vor allem nicht unter der kalten Luxus-Dusche. Mein Kreislauf schreit. Ich lache. Willkommen in Schottland. Willkommen John o’Groats Trail Etappe 5.

Ju versucht, am Zelt Kaffee zu machen – mit einem kleinen Kaffeefilter, der völlig versagt. Der Kaffee tropft nur mühsam durch. Also trinken wir meinen Instant-Kaffee. Nicht gut, aber warm.
Wir lachen viel. Die Stimmung ist fröhlich, erwartungsvoll. Der Himmel ist fast wolkenlos, ein tiefes Blau mit weißen Tupfern. Es fühlt sich an, als würde dieser Tag uns freundlich anlächeln.

Wir packen das Zelt routiniert zusammen – der Aufbau und Abbau läuft inzwischen wie im Schlaf. Keine fünf Minuten.

Der Trail führt direkt am Campingplatz vorbei. Wir müssen nicht zurück durch Dornoch.
Und dann – direkt vor einer Wand aus leuchtendem Ginster – steht er da:
Der erste echte Wegweiser des John o’Groats Trail.
Embo: 2 km.
John o’Groats: 162 km.

Wir stehen einen Moment davor. Das Ziel scheint fern, aber das packen wir!

Embo – Scones, Welpen und kurze Gespräche

Der Weg nach Embo ist kurz – vielleicht zwei Kilometer.
Man kann das Dorf schon aus der Ferne sehen.
Wir laufen erst ein Stück direkt am Golfplatz entlang – rechts gepflegtes Grün, links das Meer.
Die Golfer wirken wie aus einer anderen Welt, in ihren Outfits und mit ihren kleinen Carts.
Einige winken uns zu.
Ich bin überrascht, wie sehr mich das freut.

Dann geht’s runter zum Strand. Wir lassen uns Zeit, trödeln durch Muscheln und warmen Sand. Ju sammelt. Ich beobachte. Denke kurz: Will sie das alles mitschleppen?
Aber es ist schön zu sehen, wie sehr sie im Moment ist.

Die Sonne bekommt Kraft. Wir setzen uns einen Moment in den Sand.
Schweigen. Atmen. Wärme. Salz-Luft. Einfach schön.

 

Frühstück mit Blick aufs Dorfleben: Das Gatehouse Café

Der Campingplatz von Embo liegt wie ein riesiger Vorposten vor dem Ort.
Breite Wege, Dauercamper, alles ordentlich sortiert – aber irgendwie steril.
Wir laufen eine ganze Weile durch den Platz, bis wir wirklich im lieblichen Embo ankommen.

Im Ort selbst entdecken wir das Gatehouse Café.
Scones mit Butter und Marmelade, ein Welpe, der durch den Raum tapselt.
Ich knie mich zu ihm. Blixa schiebt sich kurz ins Gedächtnis, Mozart sowieso.

Und dann – Gespräche.
Das passiert mir unterwegs oft.
Normalerweise bin ich eher der zugeknöpfte Typ: Blick geradeaus, Menschen außen vor.
Aber beim Wandern passiert etwas. Ich werde offener.
Nicht aufdringlich – eher so ein Sensor, der merkt, wenn jemand reden mag.
Ein paar Worte mit Fremden. Ein kurzer Austausch.
Eine ältere Dame bewundert meinen Rucksack – „You’re strong!“ sagt sie.
Alle sind so freundlich, hilfsbereit und wie soll man sagen? Es erwärmt das Herz. Es ist nicht leicht bei so viel Herzlichkeit trockene Augen zu behalten.

Wir zahlen. Schultern die Rucksäcke.
Und gehen weiter – mit einem bisschen Wärme mehr im Herzen.

Durch die Coul Links – Ginster, Himmel und Kühe mit Augen wie Knöpfe

What are links?
Diese Frage hatte ich mir schon vor der Reise gestellt. Und selbst nach mehreren Tagen auf dem Trail bin ich mir nicht ganz sicher.
Irgendwo zwischen Dünen, Grasland, Heide und Marsch. Und ein bisschen wie eine Landschaft von einem anderen Planeten.

„The sandy undulating ground, gen. covered with turf, bent grass, gorse, etc., which is freq. found near the sea-shore on a flat part of the coast, and is often common ground belonging to the nearest town.“

Schon vor Dornoch waren wir durch Links gewandert – aber da war fast nur Ginster, und der Blick blieb eng.
Hier ist das anders.
Die Coul Links öffnen sich.
Plötzlich liegt die Landschaft weit vor uns: flache Tümpel, mit Gras überwuchert, Ginsterinseln, und darüber ein unglaublicher Himmel.
Blau, Wolken, Licht – wie gemalt.

Der Weg ist nicht immer klar.
Trampelpfade, Gras, Sand. Manchmal verlieren wir ihn.
Aber es ist schön. Wundersam.
Eine neue Welt in Gelb, Grün und Himmel.

Glotzduell auf der Wiese

Und dann – fast am Ende der Links – Kühe.
Keine Warnung. Kein Schild. Nur plötzlich: da stehen sie.
Groß. Breit. Überraschend viele.
Mitten im Weg. Wir bleiben stehen.

Sie glotzen.
Wir glotzen zurück.

Ju lacht. Ich nicht. Noch nicht.
Wir entscheiden uns für den Rückzug im Seitwärtsgang – bloß keine schnellen Bewegungen.

Dann sehen wir ihn: einen niedrigen Zaun zur Straße.
Schnell rüber.
Wahrscheinlich sehen wir dabei aus wie zwei tollpatschige Schafe auf der Flucht.
Die Kühe? Die bleiben stehen.
Bewegen sich nicht mal.
Nur dieses Glotzen – so, als wollten sie sagen: „Ernsthaft, Mädels?“

Dann lachen wir. So richtig.
Der erste richtige Lachanfall an diesem Tag.
Und der tat so gut!

Loch Fleet – Möwen, Mauern und: „Da! Seehunde!“

Hinter dem Zaun geht’s erst mal entspannt weiter.
Asphalt unter den Füßen, Loch Fleet irgendwo zur Rechten – aber ehrlich gesagt:
Ich sehe nicht viel.
Ein bisschen Watt. Ein bisschen Wasser. Und Möwen.
Dachte ich jedenfalls.

Am Rand taucht eine Burgruine auf – oder das, was davon übrig ist.
Steinreste, Mauerfragmente, halb vom Grün verschluckt.
Unterhalb der Burg am Ufer: Bänke.
Wir setzen uns, trinken Wasser, essen ein paar Nüsse.

Da hält ein nettes Paar neben uns.
Kurzes Gespräch – Smalltalk, wie immer unterwegs.
Dann die Frau:
„Habt ihr die Seehunde gesehen?“

Ich: „Wo?“

Sie zeigt. Ich sehe… Möwen.
Ich starre. Kneife die Augen zusammen.
Immer noch Möwen.
Dann hält sie mir ihr Fernglas hin.
Und plötzlich: Bewegung.
Fleischfarbene Rücken. Kleine Köpfe. Flossen. Seehunde.

Sie liegen auf den Sandbänken, träge und scheinbar faul –
aber sie warten.
Auf Lachse, die den Fluss hochziehen.
Das erklärt uns das Paar auch gleich mit.
Seehunde sind clever. Und geduldig.

Ich bin baff – nicht nur, weil ich sie nicht gesehen hätte,
sondern weil ich keine Ahnung hatte, was da eigentlich passiert.
Mein Blick ist noch nicht geschult. Mein Wissen auch nicht.
Das ändert sich langsam, mit jedem Tag.

Wir danken, lachen, verabschieden uns.
Und laufen weiter.

Ein Stück die Steinmauer gesäumte Straße am Loch landeinwärts, Asphalt unter den Füßen.
Kurz vor dem „Mount“, wo der Weg dann wieder abdreht, geht’s links in hohes Grün.
Ich will eine Pinkelpause machen – und entdecke: Zeckenparadies.
Also raus da. Schnell.
Keine Pause mehr.
Wir nehmen Tempo auf – jetzt kommt der nächste Abschnitt.

Der Mount – Geschichte, Verkehr und ein kurzer Sekundenschlaf

Nach dem Gestrüpp kommt der Schock:
Zurück auf der Route 500.

Wir überqueren den Mount – ein aufgeschütteter Damm,
der Loch Fleet an dieser Stelle teilt.
Hier geht es nicht bergauf, sondern geradeaus.
Aber der schmale, erhöhte Asphaltweg verlangt trotzdem volle Aufmerksamkeit.
Keine Seitenstreifen. Kein Schutz. Nur Asphalt und vorbeiziehende Karossen.
Wir gehen am äußersten Rand, links und rechts nur ein schmaler Streifen.
Der Wind der Autos ist wie ein kleiner Schlag – jeder vorbeirauschende Wagen macht uns noch wacher.

Am anderen Ende liegt ein kleiner Parkplatz – voll, laut, belebt.
Und: das Sluice Gate. Ein altes Wehr, gebaut für den Lachsaufstieg.

Klar, ich war nicht zum ersten Mal in Schottland.
Ich kannte ein paar Dinge: die Pikten, Schlösser, Clans, alte Geschichten.
Aber hier draußen, auf dem Weg, kommt es anders.
Plötzlich macht ein Damm mehr Eindruck als ein Museum.
Ein Sluice Gate erzählt mehr als ein Geschichtsbuch.
Und diese Links – keine Ahnung, wie oft ich das Wort schon gelesen habe. Heute lief ich hindurch.

Und ich merke: Ich will mehr davon.
Nicht nur laufen, sondern auch verstehen.
Warum der Boden aussieht, wie er aussieht.
Warum das Land leer ist – oder zu leer.
Und warum ich gerade hier stehen muss, um zu kapieren,
dass Natur und Geschichte sich hier treffen.

Wir setzen uns auf eine Bank.
Die Sonne wärmt.
Autos kommen, Türen schlagen, Kinderstimmen, Menschen laufen vorbei.
Aber wir?
Wir schalten aus – wie mit einem Kippschalter.

Ich lehne mich zurück.
Und schlafe für ein paar Minuten ein.
Mit Blick auf das andere Ufer von Loch Fleet.
Ein stilles, glitzerndes Versprechen am Ende dieses seltsamen Damms.

Balblair Wood – Ziel der Etappe 5 auf dem John o’Groats Trail

Vom Parkplatz geht es ein Stück an der Route 500 entlang –
Autos, Lärm, Asphalt. Nicht lange, aber genug, um wieder wach zu sein.

Dann biegen wir rechts ab – in ein kleines Wäldchen, den Balblair Wood.
Ein schmaler, gewundener Pfad führt leicht bergauf, dann wieder hinab.
Schön. Still. Und ein bisschen magisch.

Doch was danach kommt, trifft mich völlig unvorbereitet:
Der auf der Karte gepunktete Weg.
Was bedeutet: kein Weg. Nur Richtung.

Eine Wiese.
Uneben. Holprig.
Kein Pfad, kein Tritt, nichts Festes.
Ich sehe nur Ju’s Schuhe vor mir und stolpere hinterher.
Meine Beine schmerzen. Alles tut weh.
Die Pause am Sluice Gate hat nicht geholfen –
ich bin nicht fitter, ich bin einfach leer.

Wir erreichen schließlich wieder den Balblair Wood.
Geplant hatte ich, unten am Loch Fleet zu zelten,
aber Ju winkt ab: „Zu viele Mücken.“
Sie kennt das vom West Highland Way.
Und ich? Ich bin der Noob, sie die Erfahrene.
Also kein Wasserblick, sondern Waldrand.

Aber auch dort ist es nicht besser.
Wir suchen, drehen Schleifen, finden nichts.
Abseits des Weges nur: Zeckenparade.
Schließlich entscheiden wir uns für das Einfachste:
ein Stück Wiese zwischen zwei Äckern – am Rand des Waldes.
Nicht romantisch, nicht spektakulär –
aber: eben, ruhig, praktisch.

Zelt aufbauen geht schnell.
Routine. Auch wenn alles schwer ist.

Zum Abendessen gibt’s indische Beutelküche –
ich schaffe keinen Bissen.
Zu scharf, zu künstlich, zu viel.
Ich esse stattdessen meine letzte Avocado.
Beste Entscheidung des Tages.

Die Sonne sinkt.
Es wird kalt.
Wir sitzen beim Essen schon in unsere Quilts gewickelt –
praktisch wie Decken, warm wie Schlafsäcke.
Ich liebe dieses System.

Der Blick in die Landschaft ist wunderschön.
Weite, Stille, ein Hauch Dämmerung.
Und da – auf einem fernen Hügel –
eine Statue. Habe ich die schonmal gesehen?
Unklar. Skurril. Aber sie steht da.
Wie ein Zeichen, das ich noch nicht verstehe.

Ich bin fertig.
20 Kilometer liegen hinter uns.
Und die Nacht wartet.

Ob ich’s bis John o’Groats schaffe?
Heute egal. Ich bin müde.

🧭 Wegbeschreibung: John o’Groats Trail Etappe 5 – Von Dornoch nach Balblair Wood

An der Rezeption des Campingplatzes führt der Weg vorbei am Spielplatz in Richtung Golfplatz.
Dort steht bereits das erste Hinweisschild für den John o’Groats Trail.
Über einen breiten Grasweg und stellenweise direkt am Strand entlang geht es bis nach Embo.
Am Ortsausgang halten wir uns westlich und folgen einem Wegweiser, der uns in die Coul Links führt.

Kurz bevor wir die schmale Straße nach Skelbo Castle erreichen Vorsicht, denn dort könnten Kühe auf den Weiden stehen.

Wir folgen der Single Road entlang des Loch Fleet, bis sie auf die Route 500 trifft.
Kurz davor weist ein Wegweiser auf einen schmalen Pfad,
der sich unterhalb der Straße entlangschlängelt – Achtung: viele Zecken!

Nach der Überquerung der Brücke geht es noch wenige Meter an der Straße entlang.
Dann unbedingt rechts auf den Wegweiser zum Balblair Wood achten.
Direkt dahinter folgt eine unscheinbare Abzweigung nach links –
ein schmaler Waldpfad, der leicht bergauf und bergab führt.

Bald öffnet sich vor uns ein langes Tal mit Weideflächen und Äckern.
Dieser Abschnitt der fünften Etappe des John o’Groats Trail ist unmarkiert –
wir müssen die Wiesen schnurgerade überqueren, was bei unebenem Boden durchaus Kraft kostet.

Nach einem kleinen Bahnübergang biegen wir erneut Richtung Balblair Wood ab.
Ab hier folgen wir der Beschilderung bis zur Straße am Golfplatz von Golspie. Morgen.

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