John o’Groats Trail – Tag 8 – Berriedale to Dunbeath
Sonne, Graupel, Möven, Schafe und ein Engel– John o’Groats Trail Etappe 10
[Wanderung ca. 14,0 km, schwer] [ca. 320 Höhenmeter] [03.05.2019]
Klare Entscheidung – Leichtfüßig statt lebensmüde
Wir bleiben in Helmsdale.
Nicht, weil wir müssen –
sondern weil wir können.
Für die kommenden zwei Tage ist Sturm angesagt.
Kein Küstenwind mit Postkartenromantik,
sondern Böen mit Abrisspotenzial.
Der Ranger des John o’Groats Trail schreibt:
„Don’t go. Not safe.“
Der Wetterbericht ist eindeutig:
Wind. Heftig.
Aus dem Landesinneren.
Dazu Graupel, vielleicht Schnee.
Nicht der Tag,
an dem man auf schmalen Klippenpfaden balancieren will.
Einen Vorgeschmack davon hatten wir gestern.
Also gehen wir.
Aber leicht.
Ohne Riesenrucksack.
Ohne Zeltnacht.
Nur wir, Proviant, Tagesrucksack –
und später der Bus zurück ins warme Nest.
Wie gestern.
Dass wir uns zwei Pausentage leisten können,
verdanken wir einer früheren Entscheidung:
In Tain losgehen,
statt bis zum letzten Tag auf gutes Wetter zu hoffen.
Jetzt zahlt sich das aus.
Jetzt können wir sagen:
Wir gönnen uns das.
Marie, die gute Seele des Hostels,
fährt uns nach Berriedale.
Sie muss eh in die Richtung.
Mit dabei: Molly,
ihr schwarz-weißer Border Collie.
Ich denke an Mozart.
Natürlich. Mein eigener Hütehund., nur viel schüchterner.
Marie setzt uns direkt an der Kurve ab,
dort, wo sich die Route 500 elegant um den kleinen Soldatenfriedhof windet.
Haltebucht, Tür auf,
kurzes Winken –
dann ist sie weg.
Wir stehen da.
Mollys Ohren noch kurz im Rückfenster sichtbar.
Rucksack auf.
Mütze tief.
Und los.
Graupelgrüße zum Start
Schnell sind wir wieder auf dem Trail und bewegen uns vorwärts.
Keine fünfzehn Minuten später
bricht das Wetter über uns herein.
Graupel.
Wir hocken uns hinter eine Steinmauer,
Blick aufs Meer –
und schon prasseln kleine Nadelspitzen auf den Rücken.
Heute kommen zum ersten Mal die Regenröcke zum Einsatz.
Nicht schön –
aber praktisch.
Wie ein Cape für Beine.
Alles unter den Gamaschen und unterhalb der Röcke bleibt trocken.
Der Rest?
Temporär nass.
Willkommen auf der Klippenetappe.
Wir lachen.
Natürlich lachen wir.
Ju zieht die Kapuze tief,
ich rette meine neue Mütze vor dem Wind.
Das hier ist kein freundlicher Frühling –
aber es ist auch kein Drama.
Es glitzert der Graupel im Gras…
Vier Jahreszeiten an einem Tag in Schottland.
Oder wie man es hier nennt:
„A fresh start.“
Dieses Schauspiel werden wir heute noch öfter erleben.
Hagelschauer wie Theatervorhänge,
die sich über das Meer legen,
über andere Klippenabschnitte,
und immer wieder neu aufziehen.
Manchmal schauen wir ihnen dabei zu –
aus sicherer Entfernung.
Fast wie ein Naturfilm.
Nur live. Und gratis.
Der Pfad wird matschig.
Die Schuhe bald auch.
Die Gamaschen bekommen im feuchten, hohen Gras ihren ersten Einsatz.
Und irgendwo dazwischen – ein plötzlicher Schreckmoment:
Ein Birkhuhn!
Kreischend startet es zum Fluchtflug,
ich weiche zurück, fast wäre ich auf das arme Tier getreten.
Der Puls kurz höher.
Dann wieder Ruhe.
Willkommen im wilden Schottland.
Trailbuch im Sonnenschein
Nach dem ersten Hagelgruß
wird es – natürlich – wieder sonnig.
Der Mai im April bleibt sich treu.
Wir finden das JOG-Trailbuch.
Klammern halten es am Zaun,
ein kleines Notizheft –
leicht feucht, aber lesbar.
Und da steht sein Name:
Jay Wilson.
Der Mann, der den John o’Groats Trail erfunden hat.
Kein Tourismusbüro, kein Komitee,
sondern: Jay.
Ein Typ mit einer Idee – und einem Hang zur Praxis.
Ich hatte ihn vorab kontaktiert.
Er schrieb freundlich zurück:
„Don’t bring a dog.
And don’t drink the water.“
Klingt lakonisch.
Ist aber lebenswichtig.
Denn alles Wasser,
das wir hier sehen –
in Bächen, Pfützen, Rinnsalen –
kommt von Weiden,
auf denen Schafe ihr Geschäft erledigen.
Farmlandwasser.
Nicht trinkbar.
Der Ranger, mit dem ich über Facebook kommuniziere,
ist jemand anders.
Ebenfalls engagiert,
aber nicht der Initiator des Trails.
Das ist die Gelegenheit unser Abenteuer zu verewigen.
Ju zeichnet ein Schaf.
Ich ergänze ein kleines „Danke, Jay!“
Dann geht’s weiter –
der nächste Schauer ist sicher schon auf dem Weg.
Zäune, Schafe und andere Grenzgänger
Der Pfad schlängelt sich weiter –
und diesmal direkt am Klippenrand.
Kein Puffer, kein Ausweichmanöver.
Links: Weide.
Rechts: Klippe.
Dazwischen: Wir.
Die Weiden reichen fast bis zum Abgrund,
sorgsam abgesichert mit Stacheldraht, oder Steinmauern.
Schafe dürfen hier nicht abstürzen.
Wir auch nicht.
Also quetschen wir uns so nah wie möglich an den Zaun, gerade so nah, dass wir mit unseren „kostbaren“ Regenjacken nicht im Stacheldraht hängen bleiben.
Offiziell führt der Trail wo entlang?
In der Praxis?
Suchen wir ständig:
den nächsten Übergang,
den nächsten „Stile“,
die nächste Öffnung.
Ein bisschen wie ein Levelspiel:
„Finde das Schlupfloch zur nächsten Weide.“
Ju ist besser im Finden.
Ich bin besser im Balancieren.
Teamarbeit.
Manchmal gehen wir oberhalb –
dort, wo die sicheren Schafe grasen.
Manchmal darunter –
im verbotenen Grenzgebiet der Ausgestoßenen.
Wie in Badbea.
Nur dass wir freiwillig hier sind.
Und jederzeit zurückkönnten.
Wenn wir nicht gerade
mit einem Bein im Matsch
und dem anderen im Ginster hängen.
Denn der Trail ist kein Trail.
Er ist ein Vorschlag.
Aber wir lachen.
Immer wieder.
Weil’s ein Spiel ist.
Weil wir’s selbst gewählt haben.
Weil wir,
im Moment,
frei sind –
zwischen Zaun und Abgrund.
Und immer wieder Panorama
Wir kommen kaum voran.
Nicht, weil der Weg so schwer ist –
sondern weil wir alle paar Meter stehen bleiben.
„Stopp – Foto!“
Mal von Ju,
mal von mir.
Manchmal sagen wir es gar nicht mehr.
Wir bleiben einfach stehen.
Drehen uns um.
Schauen zurück.
Denn was hinter uns liegt,
ist nie wirklich vorbei.
Die Küste –
ein endloses Motiv.
Jede Biegung ein neues Bild.
Die Felsen. Die Stacks.
Die Wellen. Die Farben.
Und über allem: dieser Lärm von tausenden Seevögeln.
Unermüdlich. Unüberhörbar.
Manchmal nur ein Flimmern –
manchmal ein Getöse wie ein Stadion.
Wir laufen.
Wir staunen.
Wir fotografieren.
Abwechselnd, wie ein Ritual.
Und manchmal beide gleichzeitig.
Vor uns: die nächste Bucht.
Hinter uns: alles, was bleibt.
Es ist ein Gehen in beide Richtungen.
Und ein Staunen ohne Pause.
Lämmer am Abgrund
Es ist erstaunlich, wie weit sich die Weiden an die Klippen herantasten.
Manche Schafe stehen da, wo der Boden schon fast in Luft übergeht –
ein falscher Schritt, und sie wären Geschichte.
Und dann: eine Herde.
Schafe mit Lämmern.
Nicht, wie vorgesehen, hinter dem Zaun –
sondern außerhalb.
Zwischen Weide und Wahnsinn.
Direkt an der Klippe.
Wir bleiben sofort stehen.
Bewegen uns nicht.
Kein Mucks.
Denn wenn die jetzt in Panik geraten…
Dann passiert das, was nicht passieren darf.
Sie bemerken uns.
Starren.
Und dann – die Lawine.
Alle gleichzeitig rennen sie los,
stürzen in einer pelzigen Welle auf eine Lücke in der Steinmauer zu,
springen übereinander, purzeln durcheinander zurück,
eine flauschige Massenpanik mit Hufen.
Nur eines bleibt zurück.
Ein kleines Lämmchen.
Allein.
Steht da.
Blökt.
Verloren.
Es schaut zu uns, als wären wir seine letzte Hoffnung.
Aber der Ausgang, das rettende Loch in der Mauer, ist hinter der Ecke.
Unsichtbar.
Ich sehe es schon abstürzen.
Ju bleibt stehen, skeptisch.
Ich gehe los. Langsam.
Murmele irgendetwas Beruhigendes,
irgendein sanftes Blabla, das nur aus Mitgefühl besteht.
Und siehe da:
Es bewegt sich langsam.
Ein paar Schritte, ganz nah an der Mauer.
Um die Ecke.
Und: gefunden.
Durchs Loch.
Blök.
Antwort der Mama.
Wieder vereint.
Ende gut, alles gut.
Ju rollt mit den Augen.
Ich tue so, als hätte ich das geplant.
War aber einfach nur bescheuertes Glück.
Ankunft in Dunbeath – vom Sonnenschein in den Graupel
Dunbeath hatten wir schon lange vor uns gesehen –
immer wieder tauchte es auf, unten an der Küste, meist im Sonnenschein.
Die Landschaft wird flacher.
Irgendwann biegen wir ab – weg vom Meer,
ein richtiger Pfad führt uns unterhalb der Route 500
durch ein kleines Wäldchen bis zur Auffahrt von Dunbeath Castle.
Das Schloss?
Versteckt hinter Bäumen.
Nur das Tor ist zu sehen –
und ein verdammt langer Zufahrtsweg.
Erst später vom Hafen aus
werden wir das Schloss selbst entdecken.
Tearoom zu. Wetter kippt.
Am Heritage Museum dasselbe Pech wie gestern:
Es ist 16 Uhr – und der Tearoom macht gerade dicht.
Noch scheint die Sonne,
aber kaum biegen wir Richtung Fluss ab,
zieht eine schwarze Wolke auf.
Der Wind frischt auf, es beginnt zu nieseln.
Dunbeath liegt – wie schon Helmsdale oder Berriedale –
an der Mündung eines Flusses.
Aber der Einschnitt ist hier flacher,
weniger dramatisch,
eher freundlich müde.
Jetzt beginnt das große Frieren.
Wir frieren.
Logisch.
Also ab zum kleinen Supermarkt.
Drinnen ein älterer Gentleman,
würdevoll, fast viktorianisch.
Er holt extra Milch für meinen Tee.
Wir kaufen verpackten Kuchen
und ziehen wieder los.
Draußen?
Graupel.
Der Tee wird schneller kalt,
als wir ihn trinken können.
Also flüchten wir unter die große Brücke der Route 500,
kauern dort wie zwei Landstreicher,
schlürfen, knabbern, zittern.
Auf der Suche nach Windschutz
Wir haben noch fast zwei Stunden Zeit,
der Bus kommt erst um 18:25.
Am Hafen soll’s ein Bothy geben.
Gibt’s aber nicht –
nur ein abgeschlossenes Gebäude,
verriegelt, verrammelt.
Aber was ist das?
Ein Glaspavillon mit offenen Scheunentoren.
Drinnen ein kleines Holzboot,
ein paar Infotafeln zur Bootsgeschichte –
und eine Bank!
Wir tragen die Bank weiter ins Innere,
schließen ein Tor,
ziehen unsere Leggins unter die Wanderhosen an
und frieren… weniger.
Draußen tobt der Wind.
Durch die Glasscheiben sehen wir Dunbeath Castle.
Da oben wohnen sie.
Die mit dem Überfluss.
Hier unten stehen wir –
vor dem Boot, auf der Bank, in Leggins.
Mir fällt „Der kleine Lord“ ein.
Ich mochte den Film noch nie.
Und genau das macht ihn jetzt irgendwie passend.
Ohne den kalten Wind geht es uns hier drinnen gut.
Mental sind wir sowieso am Limit der Glücksgefühle –
das wird sich später noch kurz ändern.
PS:
Wir stellen die Bank beim Gehen wieder zurück.
Ehre, wem Frieren gebührt.
Der Bus kommt, der Bus kommt nicht
18 Uhr.
Bushaltestelle Dunbeath.
Auf der Brücke an der Route 500.
Der Wind?
Eiskalt.
Gnadenlos.
Er zieht durch alle Schichten,
als hätte er ein Abo auf unsere Körperwärme.
Wir stehen in diesem sogenannten Wartehäuschen –
zwei Plexiglasscheiben, zwei Metallbänke,
nach zwei Seiten offen.
Ein Witz von Schutz.
Der Wind zieht durch wie durch ein Windkanalmodell.
Er trifft uns frontal,
und hinten wieder raus.
Das Wort warm macht auch nicht mehr warm.
Ju sagt nichts mehr.
Sie steht da,
Kapuze tief im Gesicht.
Kein Witz mehr, kein Lächeln.
Nur Stille.
Ich kenne das: Dann geht’s ihr richtig dreckig.
Ich stehe. Ich zapple, fordere Ju zum Zappeln auf.
Und wir frieren.
Der Bus, der laut Plan um 18:25 kommen sollte,
bleibt ein Mythos.
18:40.
18:50.
Die Feuchtigkeit kriecht unter die Haut,
der Wind hämmert gegen unsere Knochen.
Ich spüre nichts mehr in den Fingern.
Wir sind nicht mehr wartende Menschen,
wir sind frierende Silhouetten
in einer nordschottischen Windhölle.
In meinem Kopf:
ein einziger Gedanke.
Eiger Nordwand.
Blizzard.
Abstieg unmöglich.
Und dann… das große Weiß.
Hand raus und Daumen hoch.
Die Autos kommen. Sie fahren vorbei.
Sie halten nicht.
Keiner. Nicht ein einziger.
Mein Daumen wird ignoriert
wie eine Spam-Mail im Posteingang.
Dabei sehe ich aus wie die Leuchtschrift:
Zwei arme Wanderinnen in Not!
19:00.
Was hatte Patrizia gestern gesagt: Manchmal kommt der Bus nicht.
Ich sehe Ju an –
das ist kein Spaß mehr.
Sie ist ganz weiß im Gesicht.
Ich will nicht mehr warten.
Ju soll nicht erfrieren.
Ein weiteres Auto nähert sich.
Mein Körper reagiert von selbst –
ich stürze mich auf die Straße.
Arme über den Kopf,
wildes Winken,
ein SOS aus Körperhaltung.
„Bitte – halt an – sonst erfrieren wir!“
Der Fahrer muss anhalten.
Sonst hätte er mich überfahren.
Und das Wunder geschieht.
Rettung aus der Kälte – Unser Trail Angel Gerry
Der Wagen hält.
Ein großer SUV mit dem Firmenlogo GMR Henderson an der Seite.
Wir jubeln. Oder zittern – schwer zu sagen.
Die Fensterscheibe surrt runter.
Drinnen: ein Mann, der aussieht, als käme er gerade von der Arbeit.
Freitagabend. Müde. Fertig.
Und dann – wir zwei Eiszapfen am Straßenrand.
Er weiß sofort:
Aus der Nummer kommt er nicht mehr raus.
Er versucht es trotzdem:
Ob sein Bruder in Helmsdale nicht vielleicht…
…oder der Sohn…
…oder irgendwer zufällig…
Aber nein.
Es bleibt an ihm kleben.
Die Rettung.
Zwei durchgefrorene Wanderinnen.
Er kann uns nicht einfach stehen lassen.
Dass wir nicht in seinem familiären B&B wohnen, sondern im Hostel?
Egal.
Er lässt uns einsteigen.
Wir bieten ihm Geld an – er lehnt ab.
Ein Trail Angel in Jeans und Arbeitsjacke.
Im Wagen:
Heizung voll aufgedreht.
Wir tauen langsam auf.
Das Thermometer sagt: 0 Grad.
Fühlt sich an wie minus zehn.
Wir kommen ins Gespräch.
Ich erzähle, dass ich Designerin bin.
Er schaut kurz zu mir –
fragt, ob ich sein Firmenlogo neu gestalten könnte.
Klar. Deal.
Die Welt ist voller Tauschgeschäfte.
Wir tauschen Namen aus, er heißt Gerry.
Wir reden über die Clearances,
über Schottland,
über Hilfsbereitschaft,
über kosmische Gesetze.
Wer gibt, bekommt zurück.
In Helmsdale fährt er nicht einfach zum Hostel –
er hält vor dem B&B The Bridge.
Seiner Familie.
Springt raus.
Wir sollen warten.
Er will uns eine Visitenkarte bringen.
Kurze Zeit später kommt er zurück –
verwundert:
„Warum seid ihr nicht reingegangen?“
Wir folgen ihm.
Die große Halle mit Feuerstelle
Drinnen:
eine große Halle, zwei Sofas,
ein Kamin mit echten Flammen.
Seine Mutter sitzt dort,
durchwühlt ihre Handtasche
nach der Visitenkarte.
Dann:
Smalltalk.
Woher wir kommen.
Dudelsack.
Der Vater hat in Deutschland gespielt.
Und dann nur noch: Dankbarkeit.
Wir stehen noch immer am Feuer.
Der Rücken wärmt.
Aber etwas anderes beginnt, mich zu durchströmen.
Nicht die Flammen.
Nicht der Tee von vorhin.
Etwas… anderes.
Ich sehe ihn – wirklich sehe ihn –
unseren Retter,
und seine Augen?
Nicht müde. Sondern offen, direkt –
als hätte er Fragen, die er nicht stellt,
und Antworten, die er schon kennt,
und einem Blick, der mehr sagt als „Ihr seid gerettet“.
Und ich spüre diesen Moment,
wenn man bemerkt, dass man angeschaut wird.
Nicht oberflächlich.
Nicht neugierig.
Sondern so,
als würde jemand prüfen,
ob man in eine Geschichte passt,
die noch nicht geschrieben ist.
Ein kurzer Hauch von etwas…
das man später Erinnerung nennt.
Aber dann: Ju.
Ungeduldig.
Müde.
Sie versteht mein Gespräch nicht –
und auch nicht, was gerade mitschwingt.
Ich nicke.
Packe zusammen.
Gehe.
Draußen ist es kalt.
Innen hätte ich noch bleiben können.
Nur einen Moment länger.
Kosmisches Gesetz – Teil zwei
Zurück im Hostel passiert etwas, über das ich vorhin noch mit Gerry gesprochen habe:
Tut man etwas Gutes, dann tritt das kosmische Gesetz in Kraft –
und es passiert einem selbst etwas Gutes.
Heute aber ist es umgekehrt.
Jetzt sind wir dran.
Als Ausgleich.
Ein neuer Gast im Hostel – jung, ein wenig überfordert –
hat heute an einem Broch bei Ben Hope eine Brieftasche gefunden.
Ausweise, Bankkarten, Studentenausweis –
alles da, und alles deutsch.
Nur: Was tun?
In diesem Moment geht die Geschichte auf uns über.
Wir sind deutsch.
Wir haben Zeit.
Und wir haben Telefonempfang.
Ich rufe bei der Polizei an – in dem Ort, der im Pass angegeben ist.
Eine freundliche Polizistin nimmt alles auf:
meine Nummer, den Namen, die Adresse.
Sie sagt, sie kümmert sich.
Keine Stunde später klingelt mein Telefon.
Am anderen Ende: ein Vater.
Aufgeregt.
Er redet von Konsulat, Verlustmeldung, Riesenproblem –
aber ich kann ihn beruhigen.
Die Brieftasche ist sicher.
Und wir sind morgen noch hier, in Helmsdale.
Was ist das jetzt wieder für ein komischer Zufall!
Er kann es kaum fassen.
Gerade noch war alles verloren –
und jetzt… einfach so?
Sie sind in Durness, wollen am nächsten Morgen losfahren.
Ich sage noch:
„Machen Sie vielleicht doch noch einen kurzen Spaziergang am Strand.
Und trinken Sie eine Schokolade im Cocoa Mountain.“
Ob er’s macht, weiß ich nicht.
Aber ich hoffe es.
🧭 Wegebeschreibung: Sonne, Graupel, Möven, Schafe und ein Engel– John o’Groats Trail Etappe 10 – Von Berriedale nach Dunbeath
Vom Hafen in Berriedale geht es zwischen den Häusern hindurch bergauf in Richtung Friedhof.
Dort folgt man der Friedhofsmauer weiter entlang der Küste – über grasigen Untergrund, direkt unterhalb von Berriedale.
Es geht über viele Schafsweiden, begrenzt durch Zäune oder Mauern, die teilweise bis dicht an die Klippen reichen.
Immer wieder wechselt man die Seiten – mal außen herum, mal mittendurch.
Am Anfang eines kleinen Wäldchens fällt eine gut sichtbare Holzkiste mit dem Trailbuch auf – ein besonderer Zwischenstopp.
Der Weg bleibt variabel: je nach Wetter, Windrichtung oder Vegetation muss man teils selbst entscheiden, wo es am besten weitergeht.
Mal ist es ein Trampelpfad, mal ein Wiesenstück, mal geht’s direkt an den Zäunen entlang.
Irgendwann geht das Farmland in rauere Graslandschaft über – und in der Ferne taucht Dunbeath auf.
Nun folgt ein sanfter Abstieg entlang einer Steinmauer landeinwärts, bevor der Pfad hinunter zur Straße führt.
Ab hier geht es parallel zur Route 500 durch einen kleinen Wald – bis kurz vor die Einfahrt zum Schloss.
Man folgt der langen Allee und erreicht das Zentrum von Dunbeath beim Heritage Museum.
Die Straße führt dann in einem leichten Bogen hinunter zum Hafen.
Der Supermarkt und die Bushaltestelle liegen auf der anderen Seite des Ortes – oben hinter der Brücke der Route 500.