John o’Groats Trail – Tag 8 – Berriedale to Dunbeath

Sonne, Graupel, Möven, Schafe und ein Engel

[Wanderung ca. 14,0 km, schwer] [ca. 320 Höhenmeter] [03.05.2019]

Helmsdale Hostel bleibt noch bis Sonntag unser Heim

Es wird immer kälter, die Wettervorhersage verspricht für die folgenden 2 Tage kaltes Wetter aus dem Westen mit Hagel, Regen und stürmischem Wind. Da wir morgen (Samstag) sowieso einen Ruhetag einlegen wollen, bleiben wir lieber hier, machen heute die kurze Etappe bis Dunbeath und kehren am Abend mit dem Bus zurück.


Da das Wetter erst am Montag besser werden soll, machen wir es uns hier in Helmsdale im Hostel gemütlich und fahren am Sonntagabend mit dem einzigen Bus an diesem Tag nach Dunbeath, um von dort aus weiter den John o’GroatsTrail mit dem ganzen Gepäck zu gehen.

Faulpelze?

Irgendwie ganz schön bequem 2 Tage mit leichtem Gepäck zu gehen und dann noch 2 Tage auf der faulen Haut zu liegen. Man sollte diese Etappen wegen der schwierigen Begehbarkeit aber nicht unterschätzen, und wenn wir heute wieder so wie gestern viel Stehen und Staunen und Pausen machen um einfach nur den Moment und das Drumherum in uns aufzusaugen, wird es wieder eine zeitlich lange Wanderung.

Mitfahrgelegenheit

Um 10 Uhr, eine Stunde früher als der Bus, bringt uns Marie, die sowieso in die Richtung fahren muss, zum Parkplatz am Friedhof in Berriedale. Molly der schüchterne Border Collie sitzt mit mir hinten, beziehungsweis ich sitze hinten, weil ich neben Molly sitzen möchte, sie erinnert mich sehr an Mozart, den ich immer mehr vermisse.

Die Sonne scheint, aber ist sie mal weg wird es bitterkalt. Wir finden schnell unseren Weg, heute meist vor den Weidezäunen oder Steinmauern, also Meerseitig. Überall sind Schäfchen und Lämmlein und der grandiose Ausblick auf die Küstenlinie vor und hinter uns. Da die Sonne eher hinter uns steht ergibt der Blick zurück tiefe Schatten, der Blick nach Norden hingegen ist sonnendurchflutet.

Sonne und Graupel

Schatten und Licht wechseln sich ab, und da kommt auch schon unangemeldet der erste Graupelschauer ohne Vorwarnung aus dem Hinterland auf uns hernieder. Wir ducken uns hinter eine Steinmauer und warten das Geschehen ab. Minuten später ist der Spuck zu Ende und die glitzernden Graupel im Gras funkeln wie Edelsteine in den augenblicklich wiedergekehrten Sonnenstrahlen.

Wir streifen durch das kniehohe, feuchte Gras. Alles oberhalb der Gamaschen und unterhalb unserer Regenröcke wird temporär nass. Dieses Schauspiel werden wir heute noch häufiger erleben, aber auch aus der sicheren Entfernung können wir über dem Meer, oder an einer anderen Stelle an der Küste immer mal wieder so ein Hagel-Spektakel-Wolken-Regen sehen.

Das Trail Buch

Wir treffen auch auf eine Holzkiste mit dem Trail Buch. Stimmt ja, der Jay Wilson, der den John o’Groats Trail sozusagen aus der Taufe gehoben hat, der wohnt hier irgendwo. Wir verewigen uns und ziehen weiter.

Auf und ab und dran vorbei und drüber oder drunter

Innen, sicher an den Zäunen entlang, oder außen, manchmal echt nah am Abgrund. Wann immer es uns zu eng wird gehen wir innen, nur dass wir dann wieder den Ausstieg, oder Umstieg suchen müssen. So langsam gewöhnen wir uns an diese Tatsache und es wird von Kilometer zu Kilometer selbstverständlicher den Weg, unseren Weg zu finden.

An den Einbuchtungen geht es oft über schmale Grasnarben direkt am Zaun, oder man wandert schnurstracks Richtung Klippe zum nächsten Zaun Übergang. Umgekehrt übrigens auch, also am Zaun hoch zum nächsten Stile.

Immer geht es über und durch alle Arten von Gras, teilweise kniehoch, aber das ist ok, wir haben uns darauf eingestellt. Die obligatorischen Zäune sind zu überwinden und auch mal eine Steinmauer indem wir sie einfach unterkriechen.

Man kann nicht oft genug stehenbleiben

Permanent haben wir einen weiten Blick über die Klippen vor und hinter uns. Oft bleiben wir kurz stehen und staunen, machen Fotos, gehen weiter, bleiben stehen, staunen, machen Fotos.

Immer wieder geht der Pfad ein Stück landeinwärts, da wo das Meer kleine Buchten in die Felsen geschlagen hat, oder es geht leicht hinunter und wieder hinauf, wo der Einschnitt eines Flüsschens in das Meer fließt.

Wir bestaunen Klippen und Felsformationen, die das Meer herausgehauen hat, bis manchmal sogar nur noch eine Felsspitze an einem Strand stehen geblieben ist.

Irgendwann erreichen wir einen dicken Felsbrocken im Meer, den An Dún, spektakulär! Überall nisten Möwen und Guillemots, die man an den völlig weiß gekackten Felsnischen erkennt.

Lämmer in Gefahr und sonstige Tierbegegnungen

Es ist erstaunlich wie weit die Weideflächen der Schafe an die Küste heranreichen.

Und kurz vor unserem Ziel treffen dann auch auf eine Gruppe Schafe mit Lämmern, die verbotenerweise auf der falschen Seite des Zauns stehen, teilweise sogar an der steilen Klippe grasen. Wenn wir die jetzt erschrecken, dann fallen die Lämmer vielleicht wie die Lemminge bei der Flucht vom Felsen! Wir bleiben stehen, sie bemerken uns, und stürmen alle gleichzeitig auf die Lücke in der Steinmauer zu und klettern übereinander hinüber, oder fallen in einem Schwall alle durcheinander gepurzelt zurück.

Ein Lämmchen bleibt allein zurück, steht verloren da und schaut verloren zu uns hinüber und blökt herzzerreißend. Es weiß nicht, dass es erst ein Stückchen an der Mauer entlang in Richtung Klippe laufen muss, um dann hinter der Ecke das Loch zu finden. Was machen wir nun? In Gedanken sehe ich das kleine Schäfchen schon den Abhang hinunterpurzeln, doch es läuft nicht weg als ich langsam näherkomme, es schaut mich an. Ju ist skeptisch was ich da mache. Ich gehe noch langsamer näher, murmele irgendeinen Blödsinn mit möglichst sanfter Stimme, und siehe da, es bewegt sich langsam an der Mauer entlang, huscht um die Ecke und findet das Loch. Dann blökt es wieder nach seiner Mama, die es dann auch endlich erhört und Ende gut alles gut.

Mir ist heute noch eine direkte Tierbegegnung passiert, denn ich wäre im hohen Gras fast auf einen Fasan getreten, der plötzlich direkt vor meinen Füßen zum Fluchtflug startet.

Ankunft in Dundeath im Sonnenschein

Dunbeath hatten wir schon seit geraumer Zeit vor uns an der Küste gesehen, meist im Sonnenschein.

So 2 km vorher müssen wir aber von der Küste weg und ein richtiger Pfad führt unterhalb der Route 500 durch ein Wäldchen bis zur Eingangsallee von Dunbeath Castle. Das Schloss konnte man vom Tor aus nicht sehen, aber der Zufahrtsweg vor dem Tor war auch schon beeindruckend genug, nämlich lang! Sehen konnte man das Schloss erst später vom Hafen aus.

Teeroom dicht und dunkle Wolken ziehen auf

Als wir in Dunbearth am Heritage Museum ankommen ist mal wieder 16 Uhr und der Tearoom macht gerade dicht. Noch scheint die Sonne, doch als wir im Bogen zum Fluss hinuntergehen, beginnt es immer mehr zu winden und zu nieseln. Eine dieser dunklen Wolken ist direkt über uns. Wie schon in Berriedale und Helmsdale liegt Dunbeath an einem in das Meer mündenden Fluss. Das eigentliche Städtchen, bis auf den Hafen und ein paar Häuser, liegt etwas oberhalb. Der Einschnitt ist nicht so tief und steil wie in Berriedale.

Jetzt beginnt das große Frieren in Dunbeath

Wir gehen also leicht frierend zum Supermarkt, denn da gibt es sicher warmen Tee. Gab es auch, so ein winzig kleiner Laden mit einem recht alten Gentleman hinter der Theke. Er hat mir sogar extra Milch für meinen Tee geholt! Wir kaufen dazu je einen verpackten Kuchen und gehen mit unserer Beute hinaus. Draußen hat es mit dem Graupeln begonnen und wir flüchten unter die große Brücke der Route 500, trinken unseren Tee, der ruckzuck Kalt geworden ist, essen das süße Zeugs und frieren immer mehr.

Also Bewegung und Richtung Dunbeath Hafen gehen, der Bus fährt erst um 18:25 und wir haben noch fast 2 Stunden Zeit. Hier ist tote Hose, windig, Graupelschauer, Schnee, also ungemütlich. Am Hafen soll es einen Bothy geben, aber da ist nur ein abgeschlossenes Gebäude, alles verriegelt. Doch was ist das? Ein kleiner Glaspavillion mit offenen Scheunentoren. Drinnen steht ein kleines Holz Boot und Bilder zu Bootstypen und Geschichte der Boote, und eine Bank! Wir tragen die Bank weg von der Tür, ich schließe eine der großen Scheunentore, ziehe mir meine Leggins unter die Wanderhose und wir frieren etwas weniger.

Das Dunbeath Castle an der Küste gegenüber ist jetzt durch die Glasscheiben zu sehen und wir, oder ich, schimpfen über die bösen Menschen im Überfluss, die auf die armen, kalten Fischerhäuschen hier am Hafen hinabsehen. Mir fällt der Kleine Lord ein, auch wenn mir der Film echt auf die Nerven geht.  Ohne den kalten Wind geht es uns hier drinnen gut. Mental sind wir sowieso am Limit der Glücksgefühle, das wird sich später für einen kurzen Zeitraum ändern.

Der Bus kommt, der Bus kommt nicht

Um 18 Uhr stehen wir wieder an der Bushaltestelle in Dunbeath auf der Brücke, denn der Bus könnte auch früher kommen, und frieren, denn zugiger kann es nirgendwo sein.  Obwohl hier ein Schutzhäuschen steht bläst der Wind direkt hindurch. Irgendwann wird aus dem Frieren ein Zittern, und als kurz vor 7 immer noch kein Bus angekommen ist, und ich uns vor dem Erfrieren retten will, und sowieso niemand auf Daumen raus anhält, auch wenn alle gerne per Hand aus dem Auto grüßen, stelle ich mich beim nächstbesten herankommenden Wagen an die Straße und fuchtle und winke mit den Armen über dem Kopf wild rum.

Rettung aus der Kälte

Der Wagen hält an, ein großer SUV mit Firmenaufdruck GMR Henderson an der Seite und einem Mann drin. Wir jubeln, sehen aber wohl jämmerlich aus. Die Fensterscheibe geht hinunter und drin sitzt ein Mensch, der gerade von der Arbeit kommt, müde ist, und nur noch nach Hause möchte (es ist Freitag). Er ahnt nach dem ersten Wortwechsel bereits, dass er nicht um eine Rettungsaktion herumkommt. Versucht aber erst über seinen Bruder, der in Helmsdale ein B&B betreibt, etwas über die Busse zu erfahren, oder ob der Bruder heute Abend nicht sowieso in diese Richtung fährt und uns auf dem Rückweg mitnehmen kann, oder der Sohn vielleicht?

Unser Trail Angel Gerry

Nein, es bleibt an ihm kleben, er kann uns ja nicht hier so einfach stehen lassen, auch wenn wir in Helmsdale nicht bei seinem Bruder, sondern im Hostel stationiert sind. Dem Himmel sei Dank! Wir bieten ihm Geld für die Fahrt an, denn immerhin wäre er hier in Dunbeath schon zu Hause angekommen, aber das will er nicht. Als ich auf der Fahrt mit ihm ins Gespräch komme und er erfährt, dass ich Designer bin, fragt er ob ich sein Logo neu entwerfen könnte. Ich willige ein. Überhaupt war das eine angenehme Unterhaltung mit voll aufgedrehter Heizung, weil wir immer noch am Zittern sind.

Das Thermometer zeigt 0 Grad an!  Wir reden noch über die Clearences und über Hilfsbereitschaft und das kosmische Gesetz. Denn wer gibt bekommt etwas zurück. In Helmsdale fährt er am Hostel vorbei und parkt vor dem B&B „The Bridge“, stürmt rein und wir warten draußen auf seine Visitenkarte.

Die große Halle mit Feuerstelle

Kurze Zeit später kommt er wieder raus und fragt erstaunt warum wir nicht hineinkommen. Drinnen sitzt in der großen Halle seine Mutter auf einem der 2 Sofas vor dem Kamin und sucht in ihrer Handtasche nach der Visitenkarte. Wir stellen uns mit dem Rücken vor die warmen Flammen und es entsteht eine kurze, typische Unterhaltung. Woher wir kommen, wo der Vater in Deutschland Dudelsack gespielt hat, und so weiter.

Die Begleichung der Schuld

Zurück im Hostel passiert etwas über das ich vorhin mit Gerry, so heißt unser Retter, gesprochen habe. Tut man etwas Gutes, so tritt das kosmische Gesetz in Kraft und es passiert einem selber etwas Gutes. Umkehret hatten wir nun die Aufgabe als kosmische Gegenleistung etwas Gutes zu tun. Ein neuer Gast im Hostel hat heute an einem Broch am Ben Hope eine Brieftasche mit Ausweispapieren, Bankkarten und Studentenausweis gefunden und weis sich keinen Rat was sie jetzt tun soll. In diesem Moment ging die ganze Geschichte auf uns über, da die Papiere aus Deutschland sind, und wir Deutsche sind.

Also habe ich die Polizei in dem auf dem Pass angegebenen Wohnort angerufen. Eine nette Polizistin hat meine Rufnummer, den Namen des Betroffenen und die angegebene Adresse notiert und wollte sich darum kümmern. Knapp eine Stunde später klingelt mein Telefon und ein aufgeregter Vater, der etwas von Konsulat und Riesenproblem redet ist dran. Ich versuche ihn etwas zu beruhigen, und dass er uns morgen den ganzen Tag in Helmsdale antreffen würden, da dies unser Ruhetag ist. Alles unter Kontrolle, alles ist gut.

Die hatten wohl einen schlimmen Tag hinter sich und konnten ihr Glück noch nicht fassen. Beide, Vater und Sohn sind gerade in Durness und werden morgen früh direkt losfahren. Ob sie meinen Ratschlag annehmen und doch einen Spaziergang am Strand machen und einen Kakao im Cocoa Mountain trinken?

Der Weg

Vom Hafen aus geht es zwischen den Häusern hindurch hinauf in Richtung Friedhof, dann folgt man der Friedhofsmauer und geht weiter der Küste folgend über grasigen Untergrund unterhalb von Berriedale weiter. Es folgen viele Schafsweiden und Zäune oder Mauern, die eng bis an die Küste reichen. Am Anfang eines kleinen Wäldchens steht gut zu sehen die Holzkiste mit dem Trail Buch. Danach geht es wir vorher weiter, meist außen an den Zäunen oder Mauern entlang. Teils muss man selber entscheiden wo man am besten geh, je nach Wetter und Wind und Vegetation.

Irgendwann geht das Farmland über in rauere Graslandschaft und in der Ferne kann man bereits Dunbeath erblicken. Der Weg geht an einer Steinmauer hinauf landeinwärts um dann hinunter bis zur Straße zu führen. Ab hier geht der Weg parallel zur Straße durch Wald, bis kurz vor der Einfahrt zum Schloss. Der Allee folgen und man erreicht am Ende der Straße Dunbeath in der Nähe des Heritage Museums. Der Straße folgen, die in einem leichten Bogen zum Hafen hinunterführt. Der Supermarkt liegt auf der anderen Seite des Ortes, in der Nähe der Bushaltestelle auf der Brücke der Route 500.

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